Die Suche nach einem Standort für das Schweizer Endlager radioaktive Abfälle ist auf der Zielgeraden. Nach jahrzehntelanger Vorbereitung soll der Entscheid im Herbst 2022 fallen. Dann will die Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) ihren Vorschlag präsentieren.
Aktuell befinden sich noch drei Standorte in der Auswahl für das Lager: das Gebiet «Bözberg» im Aargau, «Zürich Nordost» zwischen Winterthur und Schaffhausen sowie «Nördlich Lägern» in den Kantonen Zürich und Aargau. Ins Tiefenlager soll dereinst ab 2050 der schwach-, mittel- und hochradioaktive Abfall aus Kernkraftwerken, Medizin und Industrie. Zentral für den Standortentscheid ist die Geologie bzw. die Sicherheit des Lagers. Dazu gibt es jetzt neue Forschungsresultate.
Am Dienstag präsentierte die Nagra die Resultate ihrer Bohrungen an den möglichen Standorten. Die Untersuchungen haben bisher 240 Millionen Franken gekostet. Das Bild des Untergrunds sei nun vollständig, hiess es am Medienanlass. Die Datengrundlage der insgesamt neun Tiefbohrungen sei sehr gut. Die bis zu 1000 Meter tiefen Bohrungen hätten bestätigt, dass sich alle drei Standorte für ein Endlager eigneten.
Ausstellung für die Öffentlichkeit
Um die Ergebnisse der Bevölkerung vorzustellen, veranstaltet die Nagra am 26. März in Windisch einen Tag der offenen Tür. In einer aufwändig gestalteten Ausstellung werden in Scheiben geschnittenen Bohrkerne gezeigt – ein Blick Jahrmillionen in die Vergangenheit der Erde. Man kann quasi aus einem Kilometer Tiefe an die Oberfläche gehen.
Hingewiesen wird auf die Schicht aus Opalinuston. In dieser Schicht habe sich in den letzten 170 Millionen Jahren nichts bewegt. Die Chance sei gross, dass der radioaktive Abfall dort für die nächsten 200'000 Jahre sicher sei, meint Nagra-CEO Matthias Braun.
Was fehlt noch?
Die Nagra steht mit ihrer Suche also kurz vor dem Abschluss. Jetzt müsse unter anderem noch geklärt werden, wie weit der Opalinuston von wasserführenden Schichten entfernt sei, sagt Philipp Senn von der Nagra-Medienstelle. Solche Unterschiede könnten den Entscheid für oder gegen einen der möglichen Standorte beeinflussen.
Insgesamt werden 13 Sicherheitskriterien beurteilt. Nicht dazu gehören aber etwa die Nähe des Standorts zu einem Atomkraftwerk. Auch ein grösserer oder kleinerer Widerstand in der Region habe keinen Einfluss, so Senn.
Kein Kriterium, aber ein Problem
Die Haltung der regionalen Bevölkerung könnte dennoch zum Problem werden. Die Nagra und der Bund setzen daher auf Kommunikation. Sei dies mit der Ausstellung in Windisch, oder vor allem im Herbst, wenn der Standortentscheid bekannt wird.
«Wir helfen den Regionen, sich auf diesen Kommunikationsschritt vorzubereiten. Wir machen Medienschulungen, damit sie am Tag X nicht allein gelassen werden», sagt Monika Stauffer, beim Bundesamt für Energie zuständig für die Entsorgung radioaktiver Abfälle. Gemeindepräsidentinnen und Lokalpolitiker werden also auf kritische Medienanfragen vorbereitet.
Man spürt die Nervosität bei den Verantwortlichen. Der Standortentscheid ist nämlich der Start zu einem neuen, jahrelangen Prozess. Die Nagra muss innert zweier Jahre Berichte zu ihrem Entscheid bei der Atomaufsichtsbehörde Ensi abliefern. Danach folgt eine gesamtschweizerische Vernehmlassung. Und erst dann entscheidet der Bundesrat. Nur eine Volksabstimmung könnte diesen Entscheid umstossen. Doch damit würde man in der Schweiz bei der Lagerung der radioaktiven Abfälle wieder am Anfang stehen.