Stefan Lenz, ehemaliger Staatsanwalt bei der Bundesanwaltschaft, geht davon aus, dass noch vieles nicht gefunden ist. Er denkt an die Dutzenden von Liegenschaften von Russen am Genfersee und anderen bevorzugten Gebieten. Aus den Grundbüchern geht die Eigentümerschaft nicht hervor, weil Gesellschaften vorgeschoben sind: «An diese Liegenschaften kommt das Seco nicht ran, da bin ich überzeugt.»
Fehlende Expertise beim Seco
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist zuständig für die Umsetzung der Sanktionen. Doch diesem fehle die Expertise, sagt Lenz. Der heute selbständige Anwalt hatte in seinen 16 Jahren bei der Bundesanwaltschaft bei grossen Geldwäscherei-Fällen nach versteckten Geldern gesucht. Zum Beispiel beim brasilianischen Odebrecht-Skandal. Nur mit riesigen Ermittlungsteams und viel spezifischer Expertise sei ein Durchblick möglich, betont er.
Die Bundesanwaltschaft (BA) ihrerseits habe zwar die Fachleute und die Erfahrung, dürfe aber versteckten Geldern nur nachspüren, wenn der Anfangsverdacht bestehe, dass ein Oligarch sein Geld kriminell erworben hat. Doch das sei jetzt wahrscheinlich in vielen Fällen nicht erfüllt, so Lenz: «Die Gelder waren in der Schweiz willkommen. Es ist aus meiner Sicht Augenwischerei, den Krieg als Grundlage zu nehmen. Da hätte man vor zehn oder 15 Jahren richtig aufräumen müssen.»
Es ist aus meiner Sicht Augenwischerei, den Krieg als Grundlage zu nehmen. Da hätte man vor zehn oder 15 Jahren richtig aufräumen müssen.
Die Grenzen des Gesetzes
Lenz weist damit auf ein anderes Problem hin, das politisch noch kontrovers diskutiert werden dürfte. Was nämlich passiert mit den gesperrten russischen Milliarden, wenn man nicht nachweisen kann, dass das Geld kriminell erwirtschaftet worden ist?
Er kenne kein Gesetz, womit man Gelder einfach einziehen könne, nur weil die Inhaber nahe Beziehungen zu einer gewissen Regierung pflegten, sagt Lenz: Nachweise über die kriminelle Herkunft dürften ein Ding der Unmöglichkeit sein: «Man geht jetzt einen ersten Schritt, ohne zu überlegen, was mit den Geldern letztlich passiert.»
Sichere «Parallelwelt»
Lenz weist auf die schwierige Suche nach versteckten Vermögenswerten hin: Wenn etwa die Jacht einer Sitzgesellschaft gehöre, dann verkaufe der Eigentümer nicht die Jacht an einen Dritten, sondern nur seine Anteile an der Sitzgesellschaft. Niemand werde feststellen können, dass die Jacht den Besitzer gewechselt hat.
Die Sitzgesellschaften bilden eine Parallelwelt. Möglich sind allenfalls Zufallstreffer.
Sitzgesellschaften oder auch Offshore-Gesellschaften sind Vehikel, um den Besitzer oder die Herkunft des Geldes zu verschleiern. Und dabei ist eine Immobilie oftmals auf eine Sitzgesellschaft eingetragen, die einer nächsten gehört, die wiederum einer nächsten gehört und so weiter. Lenz spricht von einer riesigen Parallelwelt. Möglich seien allenfalls Zufallstreffer.
Das «Geschäftsmodell»
Das zentrale Stichwort heisse also Transparenz bei den Sitzgesellschaften. Die internationale Entwicklung geht in diese Richtung, doch die Schweiz tut sich bis anhin schwer.
Es gebe in der Schweiz noch immer Anwälte oder Treuhänder, die reichen Kunden helfen würden, ihr Geld zu verstecken, sagt der Geldwäscherei-Experte Mark van Thiel. Er arbeitete ehemals für die Geldwäschereistelle MROS und ist heute selbständig: «Das ist ein Geschäftsmodell und deshalb hinkt die Politik internationalen Entwicklungen hinterher.»
Das ist ein Geschäftsmodell und deshalb hinkt die Politik internationalen Entwicklungen hinterher.
Inkompetenz oder fehlender Wille?
Entweder sei es Inkompetenz der Behörden, was er allerdings nicht glaube, sagt van Thiel. Denn es gebe ganz intelligente Personen bei den Behörden und auch im Parlament. Oder es sei bewusster Wille: «Man wartet noch, bis es wirklich nicht mehr geht.»