Christoph Blocher empfängt das SRF-Team in seiner prunkvollen Villa in Herrliberg. In seinem Wohnzimmer hängen wertvollste Gemälde von Anker und Hodler. Mit Blick über den Zürichsee und die Alpenkette vom Säntis bis zu Eiger, Mönch und Jungfrau sinniert er über die Zukunft seiner Partei und seine Rolle in den nächsten Jahren: «Ich bin jetzt 80 Jahre alt und merke, die Kräfte lassen nach.» Politisch wolle er nun kürzertreten, sagt Blocher. «Man muss auch bescheiden sein und sagen: Es hört dann auch mal auf.»
Chiesa hat kaum Kontakt mit Blocher
Einen Tag vor Blocher feiert Marco Chiesa Geburtstag. Der neue SVP-Präsident wird am Samstag 46 Jahre alt. Vom Alter her könnte er Blochers Sohn sein. Kontakt mit Blocher habe er kaum. Zum letzten Mal habe er mit Blocher im November 2019 gesprochen, rund um seine Wahl zum SVP-Präsidenten nie. «Ich weiss, das tönt für viele erstaunlich», sagt Chiesa. Allerdings spreche er oft mit Magdalena Martullo, Blochers Tochter.
Viele politische Beobachter sehen Martullo als eine Statthalterin Blochers. Ihr Vater äussert sich nur vage zur Rolle seiner Tochter. «Sie hat eine sehr starke eigene Meinung, sie lässt sich von mir nichts sagen.»
Ins Tagesgeschäft mische er sich kaum mehr ein, sagt Blocher. Die Jungen müssten jetzt übernehmen. «Das ist eine neue Epoche, die hier kommt». Im Unternehmen habe er das auch so gemacht. Er habe sich voll zurückgezogen und gesagt: «Jetzt geht ihr – fertig.»
Blochers Mission
Blochers grösster Erfolg liegt mittlerweile 28 Jahre zurück. Das Nein zum Europäischen Wirtschaftsraum. Einer seiner grössten Widersacher war damals Franz Steinegger, ehemaliger FDP-Präsident. Steinegger ist heute 77 Jahre alt.
Blocher habe aus dem EWR-Beitritt eine EU-Diskussion gemacht, sagt Steinegger, bis heute. «Das ist seine Mission, er ist ja Pfarrerssohn.» Bei seiner Mission schwinge nichts Religiöses mit, erwidert Blocher. Er habe sich – ganz der Manager – einen Auftrag gegeben: Die Schweiz vor der EU zu schützen.
Abwahl aus dem Bundesrat
Blochers grösste Niederlage: Die Abwahl aus dem Bundesrat 2007. Für Franz Steinegger ist es ein Wendepunkt in Blochers Karriere. «Man hat einfach gesehen, dass man gegen Blocher gewinnen kann.» Die anderen Parteien seien ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erstarrt, wenn Blocher wieder für ein überraschendes Manöver sorgte. «Man hat nicht mehr so grossen Respekt», sagt Steinegger. Auch für Blocher war die Abwahl ein schwerer Schlag. «Die wollten es mir einfach zeigen.» Angst hätten die Parteien nicht vor ihm, sondern vor einem weiteren Stimmenzuwachs der SVP gehabt.
Christoph Blocher – die Karriere des Politikers
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Bild 1 von 8. Blochers grösster politischer Coup: 1992 lehnte die Schweizer Stimmbevölkerung mit einer hauchdünnen Mehrheit den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ab. Als damaliger SVP-Nationalrat hatte sich Blocher im Abstimmungskampf gegen den Beitritt stark gemacht. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 2 von 8. Seine politische Karriere auf nationaler Ebene startete Blocher 1979 mit seiner Wahl in den Nationalrat. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 3 von 8. Von 1977 bis 2003 war Blocher auch Präsident der Zürcher Kantonalpartei der SVP. Gemeinsam mit dem heutigen Bundesrat Ueli Maurer prägte er den sogenannten «Zürcher Flügel» der Partei. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 4 von 8. 1986 war Blocher Mitbegründer der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns). Mit der Organisation kämpfte Blocher gegen eine Annäherung an die EU und andere internationale Organisationen. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 5 von 8. Der grösste Erfolg: Am 10. Dezember 2003 wird Blocher für CVP-Magistratin Ruth Metzler in den Bundesrat gewählt und holt einen zweiten Sitz für seine SVP in der Landesregierung. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 6 von 8. Die grösste Niederlage: Vier Jahre später wird Blocher nicht wiedergewählt. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 7 von 8. An Blochers Stelle wurde die damalige Bündner Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf in den Bundesrat gewählt. Nach ihrer Wahl wurde die SVP Graubünden aus der nationalen Partei ausgeschlossen. Aus der ausgeschlossenen Partei ging die BDP hervor. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 8 von 8. Nach seiner Abwahl kandidierte Blocher 2007 neben Ueli Maurer erneut für den Bundesrat, wurde jedoch nicht gewählt. Von 2011 bis 2014 politisierte er nochmals im Nationalrat. Danach war er bis 2018 weiter im Parteileitungsausschuss und Vizepräsident der Partei. Bildquelle: Keystone/Archiv.
Thema EU zieht nicht mehr
Die SVP verlor aber deutlich Sitze bei den letzten Wahlen. Und die Frage ist, ob der Kampf gegen die EU noch Erfolg versprechend ist. Vor zwei Wochen dann das deutliche Nein zur Begrenzungsinitiative der SVP. Es könne sein, dass das Volk nicht mehr so am Thema EU interessiert sei, meint Blocher selbstkritisch. «Für den Moment machen wir sicher keine Initiative mehr.»
Zu seinem 80. Geburtstag schlägt Christoph Blocher ruhigere Töne an. Wie es mit der SVP weitergehen soll – das sollen andere entscheiden. Er will den Takt nicht mehr so stark angeben.