Wenn der Präsident der wählerstärksten Partei des Landes zurücktritt, gibt das Anlass zu Spekulationen – über die Personalie und auch über die künftige Ausrichtung der Partei. Für die SVP ist klar: Kurs halten bei Migrations- und Europafragen. Doch manche Exponenten wünschen sich, dass die Volkspartei in anderen Fragen kompromissfähiger wird. Denn die ewige Oppositionspolitik sei demobilisierend. SVP-Übervater Christoph Blocher gibt Gegensteuer: Anpasserei an die anderen Parteien sei etwas für Faulpelze.
SRF News: Herr Blocher, wer repräsentiert die SVP aus Ihrer Sicht besser: ein Banker oder ein Bauer?
Christoph Blocher: Das spielt keine Rolle. Wenn er ein Banker ist, braucht er eine gewisse Mentalität eines Bauern. Wenn er ein Bauer ist, muss er über die Landwirtschaft hinausblicken können. Wir sind heute eine sehr breit aufgestellte Partei. Der künftige SVP-Präsident muss eine Eigenschaft mitbringen: Er muss nicht nur politisieren können – er muss auch eine Partei führen können. Das ist neu in der Position, in der wir sind. In den letzten Jahren brauchten wir das nicht. Alles lief von selbst.
Der Prozess wirkt momentan etwas zögerlich. Es gibt verschiedene Kandidaten, aber niemand verpflichtet sich darauf, wirklich antreten zu wollen. Die SVP als grösste Partei verfügt über die meisten Mandatsträger und eine sehr grosse Auswahl an Personal. Wirkt es auf Sie nicht etwas schwach, dass sich niemand klarer aufdrängt?
Ich bin sehr glücklich, dass es derart zurückhaltend verläuft. Das ist nichts Neues in unserer Partei. Vor vielen Jahren, beim Nachfolger von Adolf Ogi, mussten wir den Thurgauer Hans Uhlmann lange bearbeiten, bis er endlich Ja sagte. Auch bei Toni Brunner war es eine mehrwöchige Angelegenheit. Bei uns muss man die Leute bewegen für dieses Amt, das nicht leicht ist.
Parteiintern regt sich Kritik, die SVP politisiere abgehoben und an den echten Sorgen der Menschen vorbei. Zudem habe sie sich in den letzten Jahren zu sehr auf die Frage der Migrations- und Europapolitik konzentriert. War das rückblickend ein Fehler?
In einer Partei mit 70'000 Mitgliedern gibt es hoffentlich solche Diskussionen. Dann sollen diese Leute sagen, welche Probleme zu kurz gekommen sind.
Verschiedene Parteiexponenten sagen sehr wohl, welche Probleme besser bewirtschaftet werden sollen. Nämlich die steigenden Krankenkassenprämien und die Frage, wie die Renten gesichert werden sollen. Die SVP müsse hier eigene Lösungen präsentieren.
Die SVP macht das seit Jahren. 2008 sind wir mit dem Slogan «Rettet die AHV!» in den Wahlkampf gezogen. Mit einer ganz klaren Linie und Konzepten, auch in Bezug auf die zweite Säule. Wir sind leider nicht durchgedrungen.
Wenn Sie einfach das machen, was die anderen machen, müssen Sie nicht arbeiten.
Das heisst, dass sich die Partei thematisch breiter aufstellen muss?
Damit haben Sie recht, was die Gebiete weniger Zwangsabgaben, Steuern und Gebühren angeht. Dazu gehören die sicheren Renten und die Prämien. Diesbezüglich ist in letzter Zeit etwas wenig gemacht worden.
Vertreter aus den Kantonen wünschen sich in diesen Fragen mehr Kompromissbereitschaft der SVP, damit es mehr Erfolge gibt.
Wenn Sie sich aufgeben, haben Sie immer Erfolg. Das ist nichts Neues. Ich weiss nicht, auf wen Sie sich stützen. In der Regel sind es aber die Faulpelze, die so etwas sagen. Wenn Sie einfach das machen, was die anderen machen, müssen Sie nicht arbeiten.
Im vorangegangenen Wahljahr war die Themenlage nicht günstig für die SVP. Das Thema Klimawandel war sehr präsent, auch wegen der Demonstrationen der Jugendlichen. Hätte die SVP eigene Rezepte präsentieren müssen?
Das hat sie auch – in der Gegenposition.
Die SVP hat vor allem Nein gesagt zu dem, was die anderen Parteien präsentiert haben.
Das ist hier das Wichtigste. Wir sind die Partei des Mittelstandes. Das alles kostet Unsummen. Darum hat es Gegensteuer gegeben. Dass die Partei in einer solchen Situation verlieren würde, war für uns selbstverständlich. Aber sie hätte – das sage ich selbstkritisch – nicht so viel verlieren müssen. Wenn vor allem die Kantonalparteien hellwach gewesen wären und ihre Arbeit gemacht hätten. Da haben wir grosse Defizite. Einer muss sich zur Verfügung stellen und diese Arbeit machen. Wir haben verschiedene Leute, die führen können, auch im täglichen Leben.
Sie sagen, es gibt viele führungsstarke Leute in der Partei, die fähig wären, das Amt zu übernehmen. Welche?
Ich will sie nicht aufzählen. Wenn man jetzt von Kandidaten spricht – zumindest, wenn ich das mache – ist das der Tod des Kandidaten.
Das Gespräch führte Priscilla Imboden.