Im Kriegsgebiet von Berg-Karabach zwischen Aserbaidschan und Armenien sind Teile einer abgestürzten Drohne gefunden worden, die aus der Schweiz stammen. Radio SRF hat Fotos von armenischen Journalisten erhalten, die einen in der Schweiz hergestellten Stellantrieb zeigen.
«Swiss Made» ist ein Qualitätslabel. Gerne verwendet es die Industrie, um zu zeigen, hier wurde präzise gearbeitet – so wie Tells Schuss aus der Armbrust auf den Apfel. Bleibt das Label «Swiss Made» auf Waffenteilen nach einem Krieg auf dem Schlachtfeld liegen, dann bleiben Fragen zurück.
Exportkontrollbestimmungen eingehalten
Man darf im konkreten Fall nicht unterschätzen: Die armenische Seite hat den Krieg um Berg-Karabach verloren. Man sucht nach Erklärungen und findet eine in den Waffen der aserbaidschanischen Truppen. Innert weniger Tage konnte die Armee Aserbaidschans – vor allem dank des Einsatzes von Drohnen – die armenischen Truppen dominieren.
Die Armenier wollen wissen, wer noch Freund und wer Feind ist. Es ist also durchaus möglich, dass Armenien vom Schweizer Botschafter in Eriwan eine Erklärung verlangt, wieso ein Bestandteil einer israelischen Drohne, die der verfeindete Nachbar Aserbaidschan eingesetzt hat, offenbar in Teilen «Swiss Made» war.
Was man bis jetzt weiss, ist in der Schweiz nichts Illegales passiert. Das betont die Herstellerfirma Faulhaber in einer Stellungnahme am Montagnachmittag gegenüber SRF. Anhand der Seriennummer auf einem der publizierten Fotos aus Armenien konnte das Unternehmen «zweifelsfrei nachvollziehen, dass bei der Auslieferung alle geltenden Exportkontrollbestimmungen eingehalten worden sind.»
Der in Berg-Karabach entdeckte Schweizer Stellantrieb, wahrscheinlich für den Klappmechanismus der Flügel, untersteht keiner Exportkontrolle. Er gehört weder zur Kategorie Kriegsmaterial, noch ist es ein sogenanntes Dual-Use-Gut, also ein Produkt, das sowohl militärisch wie zivil nutzbar wäre. Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist es ein industrielles Standardprodukt, so simpel, dass es überallhin verkauft werden darf.
Verlangt Armenien eine Antwort von der Schweiz, wird der Schweizer Botschafter wohl antworten müssen: Es tut uns leid, aber es war halt ein simples Industrieprodukt. Rechtlich korrekt, trotzdem bleibt der aussenpolitische Schaden.
Was tun, um das zu verhindern?
Der Krieg in Berg-Karabach hat gezeigt, Drohnen sind inzwischen ein breit eingesetztes Kriegsmittel geworden. Sie sind billiger, sicherer und militärisch effizient. Die Schweiz mit einer Industrie im Hochtechnologiebereich entwickelt Produkte, die auch in militärischen Drohnen eingesetzt werden können. Und sie können, wenn es industrielle Standardgüter sind, bewilligungsfrei aus der Schweiz über Israel nach Aserbaidschan geliefert werden.
Die Politik könnte die Daumenschrauben anziehen und bestimmen, alle Industriegüter müssten genauer kontrolliert werden auf ihren Einsatz und das Bestimmungsland. Die Wirtschaft wird einwenden, dann müsste man auch das Schmier-Öl in einem Panzer einer Kontrolle unterstellt werden: nicht möglich.
Die Alternative ist, die Schweiz gewöhnt sich daran, dass bei Drohnenkriegen halt immer wieder mal das Label «Swiss Made» mitfliegt.