Während sich die EU und Grossbritannien um den Brexit streiten, macht die Schweiz konkrete Fortschritte. Heute hat der Bundesrat ein Migrationsabkommen mit dem Vereinigten Königreich verabschiedet, um die bilateralen Beziehungen nach dem Brexit zu sichern. Bereits Mitte Februar wurde ein Handelsabkommen beschlossen.
«Order! Order!» Wenn der Speaker des Unterhauses in den letzten Tagen die 650 Abgeordneten zur Ordnung rief, ging es meist um den Brexit. Doch am Donnerstag vergangener Woche stand im «House of Commons» plötzlich ein anderes Thema im Zentrum: «Switzerland».
Staatssekretär Liam Fox, zuständig für internationalen Handel, lobte überschwänglich die Schweizer Regierung und insbesondere Wirtschaftsminister Guy Parmelin, mit dem er das Handelsabkommen unterzeichnet habe.
Ein wichtiges Abkommen sei dieser Handelsvertrag, bemerkte Fox und konterte den schnippischen Einwand eines Labour-Abgeordneten, es sei doch nur ein «tiny deal». Der Vertrag mit der Schweiz sei weder klein noch unbedeutend. Vielmehr sei er für Grossbritannien 32 Milliarden Pfund oder 42 Milliarden Franken pro Jahr wert und die Schweiz der siebtgrösste Partner des Vereinigten Königreichs im Bereich der Dienstleistungen – weltweit!
Das hatte nur zwei Tage davor auch das britische Oberhaus erkannt. Ein Komitee des «House of Lords» publizierte einen Bericht, der den Handelsvertrag mit der Schweiz ausdrücklich als «politisch wichtig» einstuft. Das Papier macht klar: Die Lords wünschten sich gerne noch mehr.
Portmann: Chancen für die Schweiz nach Brexit
Tatsächlich sei das Potenzial vorhanden, den Handel mit Grossbritannien auszuweiten, sagt FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann. Er gehört der «UK-Swiss Friendship Association» an, einer Gruppe von britischen und Schweizer Parlamentariern, die nach der Brexit-Abstimmung ins Leben gerufen wurde.
Der Austritt aus der EU werde den Spielraum für die Briten vergrössern, ist Portmann überzeugt: Dann dürften sie freie bilaterale Handels-und Dienstleistungsverträge mit anderen Ländern machen. Dies könne der Schweiz Chancen eröffnen. Allerdings erst, wenn das Verhältnis zwischen UK und EU geregelt sei.
Bereiche für ein engeres Zusammengehen möglich sieht Portmann viele. Eine Option sieht er in einer verstärkten Kooperation zwischen Londoner und Zürcher Börse. Dazu eine enge Zusammenarbeit der Finanzindustrie und Äquivalenzen für Finanzprodukte. Portmann erinnert an die laufenden Arbeiten für eine Schweizer Trust-Gesetzgebung. Das sei ein sehr grosses Wirtschaftsgebiet im angelsächsischen Raum. Aber auch bei allgemeinen Dienstleistungen wie dem Austausch von Beratungen und Rechtsunterstützungen sieht er Potenzial.
Schweiz als Beispiel in der Not?
Grossbritannien hat mit der Schweiz auf jeden Fall noch einiges vor, wie Staatssekretär Fox letzten Donnerstag im «House of Commons» klargemacht hat. Das ausgehandelte Handelsabkommen sei bloss der «Vorläufer» eines hoffentlich grösseren Handelsvertrages mit der Schweiz, nach vollzogenem Brexit.
Dass Grossbritannien die Verhandlungserfolge mit der Schweiz so herausstreiche und neben den USA erwähne, sei kein Zufall, sagt Portmann: «Es soll zeigen, dass UK auch ohne die EU nicht darben wird.»
«Order! Order!»
Einzig den Speaker des «House of Common» scheint das wenig zu beeindrucken. Das Beste an der Schweiz, findet John Bercow, seien nicht die Banken, nicht die Uhren, nicht die Schokolade: «Das Beste an der Schweiz ist Roger Federer. Order! Order!»