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«Tag gegen Lärm» Gesundheitsrisiko Verkehrslärm: Was tut der Bund dagegen?

Übermässiger Lärm verursacht Stress – und somit auch Gesundheitskosten. Dabei nimmt der Verkehr noch weiter zu.

Lärm als Gesundheitsrisiko: Der 30. April 2025 ist der «Tag gegen Lärm». Das Motto: «Lärm macht krank». In der Schweiz seien jährlich rund 500 Todesfälle auf die Auswirkungen von Verkehrslärm zurückzuführen, teilt die Koordinationsstelle «Tag gegen Lärm» mit. Auf Lärm reagiere der Mensch mit Stress. Das könne zu gesundheitlichen Problemen wie Bluthochdruck oder Herzinfarkt führen. Einer Hochrechnung zufolge verursacht übermässiger Verkehrslärm jährlich etwa 2500 Diabeteserkrankungen und jedes Jahr Gesundheitskosten in Höhe von 1.4 Milliarden Franken. Betroffen von Verkehrslärm sind in der Schweiz weit über eine Million Menschen. Der Grossteil davon lebt in Städten und Agglomerationen.

Ein Motorrad fährt vor einem Fenster einer Wohnung vorbei.
Legende: Strassenverkehr an der Baselstrasse in Luzern. Quartiervereine verlangen Massnahmen gegen den Strassenlärm wie Tempo 30. KEYSTONE / Urs Flüeler

Das macht der Bund gegen Lärm auf der Strasse: Seit 2017 ist der Massnahmenplan gegen Lärm in Kraft. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) teilt gegenüber SRF mit, dass die Lärmbelastung in vielen Bereichen gesenkt wurde. Das Bafu nennt unter anderem die finanziellen Beiträge an Massnahmen der Kantone. Dank dieser könnten rund 240'000 Personen geschützt werden, 800'000 Personen würden von einer wahrnehmbaren Lärmreduktion (mindestens 1 dB) profitieren. «Investiert wurden insgesamt 1.5 Milliarden Franken.»

Eine Frau spaziert zwischen Haus und Lärmschutzwand.
Legende: Eine mehrere Meter hohe Mauer steht vor den Häusern, die neben der Einhausung des Autobahnabschnitts bei Schwamendingen stehen. Das Bundesamt für Strassen (Astra) realisiert dort in Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Kanton Zürich das Einhausungsprojekt. KEYSTONE / Gaetan Bally

Das macht der Bund beim Schienenverkehr: Zum Beispiel sei Rollmaterial auf lärmarme Bremstechniken umgerüstet worden, so das Bafu. Besonders laute Güterwagen wurden verboten, Lärmschutzwände errichtet. Durch die Lärmsanierungen bei der Eisenbahn «konnten fast zwei Drittel der Menschen geschützt werden, die an einem Ort wohnen, wo der Grenzwert für Eisenbahnlärm überschritten war».

Grün senkt Stress

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In einer neuen Studie belegten Forschende der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa erstmals für die Schweiz, dass Stadtgrün den Stresspegel von Menschen, die in einer Stadt leben, messbar senkt. Dieses Ergebnis liefere wichtige Informationen für Gesetzgeber und Raumplaner, schrieb die Empa in einer Mitteilung.

So wurde geforscht: Für die Studie mussten Probandinnen und Probanden unter Zeitdruck Aufgaben lösen, während sie mit Verkehrslärm beschallt wurden. Mit einer Virtual-Reality-Brille wurde ihnen im Anschluss entweder eine leise urbane Umgebung oder eine leise stadtnahe Landschaft im Grünen gezeigt. Beide Umgebungen waren gleich laut. Nach dem Eintauchen in die virtuelle Grünfläche fühlten sich die Probanden aber ruhiger, entspannter und fokussierter als beim urbanen Szenario. Gemessen wurde der Stresspegel.

Grünfläche fördert Erholung: Die Ergebnisse aus dem Labor bestätigten sich auch in einer Feldstudie. Forschende der Empa untersuchten dafür in der Stadt Zürich rund 230 Freiwillige, die in unterschiedlich stark von Lärm belasteten und begrünten Umgebungen leben. Beide Versuche zeigten, dass Grünflächen in der Nachbarschaft die Erholung förderten, wie die Empa schreibt.

Kritik am Massnahmenplan: Deborah Fehlmann kennt den Massnahmenplan des Bundes. Wo dieser mit seinen Zielen stecke, sei ihr nicht bekannt, kritisiert die Architektin, die Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Lärmbekämpfung ist. Umweltwissenschaftler und Lärmforscher Martin Röösli von der Uni Basel sagt, er höre auch wenig darüber, was von diesem Plan umgesetzt sei. «Ein Problem ist, dass das Bewusstsein, dass Lärm schädlich ist, nicht vorhanden ist.» Eigentlich müsste man nicht Lärm bekämpfen, sondern Ruhe fördern. Das Bafu widerspricht insofern, dass der Bundesrat mit dem Massnahmenplan Lärm zum ersten Mal auf strategischer Ebene das Ziel festgelegt habe, die Ruhe besser zu schützen.

Ein Lastwagen fährt auf der Strasse.
Legende: Ein Schild mit der Aufschrift «Weniger Lärm, mehr Wohlbefinden» in der Stadt Lausanne. Je nach Dezibelzahl des vorbeifahrenden Fahrzeugs zeigt die Anzeige eine zu hohe Lärmbelastung an. KEYSTONE / Laurent Gillieron

Immer mehr Lärmbetroffene: Die Belastung durch Verkehrslärm nehme zu, sagen Deborah Fehlmann und Martin Röösli. Der Verkehr wachse, immer mehr Menschen leben in der Schweiz. Das heisst: Es gibt potenziell immer mehr Lärmbetroffene. Und dies, obwohl es in den Städten tendenziell leiser werde. «Tempo 30 zusammen mit Elektromobilität, das gibt sehr ruhige Strassen», sagt Martin Röösli. Autos würden zwar leiser, «zugleich werden sie schwerer, grösser und dadurch oft unter dem Strich sogar lauter», entgegnet Deborah Fehlmann. Überhaupt gebe es beim Thema Verkehrslärm gegenläufige Entwicklungen.

Die aktuelle Revision des Umweltschutzgesetzes

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Das Parlament lockerte Lärmvorschriften, damit in Städten einfacher Wohnungen gebaut werden können. Deborah Fehlmann spricht von einer «empfindlichen Lockerung des Gesundheitsschutzes». Im gleichen Gesetz will man Ruhezonen fördern. «Geplant ist, dass beim Ausscheiden von neuen Wohnzonen an lärmigen Lagen die Schaffung und Sicherung von ruhigen Freiräumen mitgedacht werden muss», so Röösli.

Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats wiederum lehnte Ende April einen Vorstoss ab, der im Umweltschutzgesetz die Sanierung von Strassen nach gesundheitlicher Dringlichkeit priorisieren wollte.

Der Massnahmenplan gegen Lärm als Langzeitaufgabe: Der Schutz der Ruhe und die Anstrengungen zur Verringerung der Lärmbelastung würden Daueraufgaben bleiben, schreibt das Bafu. Die gesellschaftlichen Entwicklungen gingen weiter: «Die Mobilität nimmt weiterhin zu, die Bevölkerung wächst und Siedlungen müssen vermehrt nach innen entwickelt werden.» Bis Ende 2025 muss das Bundesamt für Umwelt einen Bericht über die Umsetzung der laufenden und zu prüfenden Massnahmen vorlegen.

Regionaljournal Zentralschweiz, 28.4.2025, 17:30 Uhr; sten

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