Samstagabend, 2. März 2024: Ein Jugendlicher sticht in der Zürcher Innenstadt einen 50-jährigen orthodoxen Juden auf offener Strasse mit einem Messer nieder. Kurz darauf wird bekannt: Beim mutmasslichen Täter handelt es sich um einen 15-jährigen Schweizer mit tunesischem Hintergrund.
Der Täter – der Zürcher Sicherheitsdirektor spricht derweil von einem «Terroranschlag» – kann dank Passanten überwältigt und anschliessend von der Polizei festgenommen werden. Das Opfer, ein Familienvater, überlebt nur durch Glück. Die klar antisemitisch geprägte Tat sendet eine Schockwelle durchs Land. Der Täter sah sich als Soldat der Terrororganisation Islamischer Staat und hatte offenbar zum Ziel, möglichst viele Juden umzubringen.
Die Reaktionen seitens Politik folgen: Der Bundesrat prüft, ob dahinter ein grösseres, internationales Netzwerk existiert. Man kooperiert grenzüberschreitend mit Ermittlungsbehörden. Ausserdem wird Geld gesprochen, um jüdische Einrichtungen zu beschützen. In der Stadt Zürich etwa bewacht die Polizei fortan Synagogen und jüdische Schulen.
Die Politik hat reagiert – in Zürich wurde eine neue Stelle geschaffen
In der Verwaltung der Stadt Zürich wird ausserdem eine neue Stelle geschaffen, mit dem Ziel, dem Antisemitismus die Stirn zu bieten. Die jüdische Bevölkerung soll sich wieder sicher fühlen können. Doch für einen Teil der Jüdinnen und Juden Zürichs und darüber hinaus dürfte der Alltag mit der Messerattacke eine einschneidende Zäsur erlebt haben.
Der 2. März sei ein Schock gewesen für die jüdische Gemeinschaft, sagt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des schweizerisch-israelitischen Gemeindebundes SIG. Viele hätten es nicht für möglich gehalten, dass in der Schweiz ein jüdischer Mensch angegriffen werden könnte – allein wegen der Tatsache, dass er jüdisch sei.
Zunahme antisemitischer Vorfälle
Dem Opfer der Messerattacke gehe es heute noch nicht gut – und er werde nie mehr dasselbe Leben führen können. Am 2. März, so sagt es die Zürcher FDP-Kantonsrätin Sonja Rueff-Frenkel, sei der neue Terror auch in der Schweiz angekommen.
Antisemitische Vorfälle hätten in den letzten eineinhalb Jahren, seit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem darauffolgenden Krieg in Gaza, zugenommen, sagt auch Jonathan Kreutner.
Für 2024 fehlten zwar die genauen Zahlen noch, doch die Tendenz sei eindeutig: Es würden viel mehr physische Angriffe gemeldet – die Quantität und die Qualität solcher Vorfälle habe seit dem 7. Oktober 2023 ein neues Ausmass erreicht.
Trotz allem – die jüdische Gemeinschaft wolle sich weder einschüchtern lassen noch sich zurückziehen. Das sei für die meisten kein Thema. Das jüdische Leben in der Schweiz gehe weiter. Ein Umstand, der Jonathan Kreutner zuversichtlich stimmt. Denn sonst wäre das Ziel jener Terrorattacke vor einem Jahr erreicht worden.