- Dem berüchtigten Schweizer Dschihadisten Daniel D. wollte der Bund das Schweizer Bürgerrecht entziehen – doch jetzt stellt das Staatssekretariat für Migration (SEM) das Verfahren ein, wie aus einem Schreiben von Mitte Juni hervorgeht, das SRF vorliegt.
- Grund für den Stopp des Verfahrens ist, dass das SEM angenommen hatte, der Mann aus Genf sei Spanisch-Schweizerischer Doppelbürger – dabei hatte er die spanische Nationalität verloren.
- Eine Doppelbürgerschaft ist Voraussetzung dafür, dass jemandem das Schweizer Bürgerrecht überhaupt entzogen werden kann, weil keine Staatenlosen geschaffen werden dürfen.
Während der Nationalrat diese Woche über mehrere Vorlagen zur Bekämpfung des Terrorismus in der Schweiz debattiert, stellt sich heraus, dass die Schweizer Behörden im Fall eines Terrorverdächtigen aus Genf einen Rückschlag hinnehmen müssen.
Daniel D. sollte das Schweizer Bürgerrecht aberkannt werden, so wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) dies zu seiner Politik erklärt hatte im Umgang mit Dschihad-Reisenden, die über eine Doppelbürgerschaft verfügen.
Das SEM hatte gegen Daniel D. denn auch ein Entzugsverfahren eingeleitet, obwohl Spanien ihm das Bürgerrecht bereits zuvor entzogen hatte, wie SRF publik gemacht hat.
Nun zeigt sich: Das SEM muss das Verfahren zum Entzug des Bürgerrechts gegen Daniel D. jetzt einstellen. Das geht aus einem Schreiben des SEM von Mitte Juni hervor, welches SRF vorliegt.
Keine Amtshilfe zwischen den Staaten vorgesehen
Das SEM erklärte auf Anfrage, es könne sich zu Einzelfällen nicht äussern. Grundsätzlich sei im Bürgerrechtsgesetz bei Entzugsverfahren keine Amtshilfe zwischen Staaten vorgesehen. Man könne keine solchen Informationen an andere Staaten weitergeben. Hingegen würde den Betroffenen vor einem Entscheid das rechtliche Gehör gewährt, schreibt das SEM.
Das heisst, ein Betroffener könnte gegenüber dem SEM geltend machen, dass er über keine andere Staatsbürgerschaft verfügt. Das Problem im Fall von Daniel D. ist: Er sitzt in einem Gefängnis in Syrien, ohne Kontakt zur Aussenwelt.
Zweitstaaten werden vor vollendete Tatsachen gestellt
Der Fall zeigt, wie das SEM bei geplanten Ausbürgerungen offenbar vorgeht: Es tätigt die Abklärungen ausschliesslich im Inland, nimmt also keinen Kontakt mit dem Zweitstaat auf.
Im Falle einer erfolgten Ausbürgerung würde der Zweitstaat damit vor vollendete Tatsachen gestellt und wäre dann allein für einen Terrorverdächtigen zuständig.
In einem anderen, bereits rechtskräftigen Fall einer Frau aus Genf, betrifft es Frankreich. Also ein europäischer Staat, mit dem die Schweiz in der Terrorabwehr ansonsten zusammenarbeitet.
Mehrmonatiges Verfahren nicht nötig
Darüber hinaus zeigt der Fall auch, dass entscheidende Voraussetzungen für den Entzug des Bürgerrechts – also das Vorhandensein einer zweiten Staatsbürgerschaft – offenbar nicht verlässlich verifiziert werden können.
Durch den Verzicht, mit den spanischen Behörden zu kommunizieren, und weil sich Daniel D. vom Gefängnis in Syrien aus nicht äussern konnte, blieb es dem SEM verborgen, dass Spanien ihm bereits im Jahr 2015 das Bürgerrecht entzogen hatte. Wäre dies abgeklärt worden, hätte sich das SEM ein mehrmonatiges Verfahren sparen können.