Ein schwerer Vorhang wird vor der Bühne zugezogen. In der Mehrzweckhalle brandet Applaus auf. Die Darstellerinnen und Darsteller des lokalen Theatervereins verneigen sich. Das Publikum hat sich amüsiert, und freut sich auf das Kuchenbuffet. In der Schweiz ist das Alltag, wenn regionale Theatergruppen Stücke aufführen.
Die Stücke mit Titeln wie «Ruedi for President», «Mord on Backstage» oder «E Maa zum Miete» schreiben die Theaterschaffenden in den wenigsten Fällen selbst. Sie greifen auf das Repertoire von Theaterverlagen zurück. Einer der beiden grossen in der Schweiz ist der Breuninger Verlag aus Aarau. Verlagsleiter ist der erst 27-jährige Enrico Maurer.
5000 Theaterstücke hat der Verlag zur Auswahl. Enrico Maurer kennt sie alle und berät jene, die gerne ein Stück aufführen möchten. «Dies reicht von Profiproduktionen bis zu Jodlerklubs, die nach dem Konzert noch einen Einakter spielen möchten.» So erkundigt sich ein Verein nach einem Stück, das vier Frauen und fünf Männer als Darstellende braucht.
Vom Verlag erhält der Verein dann ein paar Stücke zur Auswahl. Entscheidet sich der Verein für ein Theater, druckt der Verlag die gewünschten Exemplare, kümmert sich um die Tantiemen für die Autorinnen und Autoren und ist auch darum besorgt, dass nicht das gleiche Stück im Nachbarort aufgeführt wird.
Theaterstücke müssen modern sein
Das Angebot an Theaterstücken ändert sich über die Zeit. Ältere werden teils gar nicht mehr aufgeführt, wobei es bei Klassikern natürlich Ausnahmen gebe. «Die Theatergruppen möchten meist Stücke spielen, die ins 2024 passen. Die Stücke müssen zeitgemäss sein», sagt Maurer. Beispielhaft zeigt sich das beim Stück «Alpen-Tinder», das zu den beliebtesten Theaterstücken gehört.
Der Verlag nimmt pro Jahr etwa 30 neue Theaterstücke ins Angebot auf. Dabei achtet Enrico Maurer unter anderem darauf, dass auch Frauen grosse Rollen spielen und nicht immer nur Männer, wie das bei vielen älteren Stücken der Fall ist.
Die Anforderungen an ein Theaterstück seien gestiegen: «Es braucht heute mehr, um das Publikum bei Laune zu halten. Ein Theater muss das Publikum von der ersten Sekunde an fesseln.» Das habe mit der ständig verfügbaren Unterhaltung auf den Smartphones und von Streamingdiensten wie Netflix zu tun, meint der Verlagsleiter.
Es gibt Stücke, die der Theaterverlag nicht mehr führt. Dazu gehört «Othello darf nicht platzen», eine Komödie, die 1989 am Broadway in New York ein Grosserfolg war. Zum Stück gehört, dass sich ein weisser Darsteller schwarz anmalen muss. Heute gilt Blackfacing als rassistisch.
Ein Leben fürs Theater
Der 27-jährige Enrico Maurer kam als Kind bereits in den Verlag und lieh sich Stücke aus, um sie zu lesen. Mit 15 Jahren schrieb er sein erstes Theaterstück und machte im 1922 gegründeten Verlag eine Lehre. Schliesslich wurde er gefragt, ob er den Verlag übernehmen möchte, Maurer war damals noch keine 20 Jahre alt. «Ich dachte natürlich: sofort! Allerdings hatte ich keine finanziellen Möglichkeiten.»
Deshalb finanzierten die Eltern von Enrico Maurer die Übernahme. Der Verlag ist damit heute ein Familienunternehmen, das Theaterschaffende aus der ganzen Schweiz mit Ideen und fixfertigen Theaterstücken versorgt. Damit auch weiter ein grosses Publikum in den Mehrzweckhallen begeistert applaudieren kann.