Im Kanton Thurgau räumt die Polizei am Dienstag den Hof eines mutmasslichen Tierquälers. Der Mann hatte 250 Tiere auf seinem Hof gehalten – diese werden nun weggebracht. In den Medien waren verstörende Bilder der gequälten Tiere zu sehen.
Warum dauerte es so lange, bis jemand eingriff?
Antoine F. Goetschel: Das Tierschutzgesetz schreibt vor, dass Behörden erst dann einschreiten dürfen und dann aber auch müssen, wenn Tiere vernachlässigt oder unter sehr schlechten Bedingungen gehalten werden.
Im aktuellen Fall hat man das Gefühl, dass sehr lange nichts geschehen ist. Der Tierbesitzer hat offenbar immer wieder aufschieben können, dass man ihm die Tiere wegnimmt.
Wir haben einen Grundrechtsanspruch, dass wir Tiere halten können. Jemandem Tiere wegzunehmen ist eine anspruchsvolle Sache. Es ist so, dass sich Tiernutzer wehren können aber die Tierschützer und die Tiere eben nicht oder nur mangelhaft. Den Tieren fehlt im Straf- und Verwaltungsrecht eine Stimme. Das ist bedauerlich. Im aktuellen Fall haben wir es mit einem Tiernutzextremisten zu tun, der alles angefochten und das Rechtssystem, so habe ich den Eindruck, zu Lasten der Tiere missbraucht hat.
Die Tiere bräuchten eine Stimme sagen Sie. Wie müsste diese aussehen?
Es gibt verschiedenen Möglichkeiten. Im Kanton Zürich hatten wir den Rechtsanwalt für Tierschutz in Strafsachen errichtet. 19 Jahre lang war das eine sehr wichtige Institution. Grundsätzlich geht es um den Vollzug des Tierschutzes durch die Verwaltungsbehörden. Man meint es reiche, wenn sich nur das kantonale Veterinäramt für die Tiere erhebt. Der aktuelle Fall zeigt aber, dass Aufholbedarf besteht. Man könnte an einen Tieranwalt im Verwaltungsrecht denken oder an eine Aufstockung der Kantonstierärzteschaft mit Juristen.
Sind die Kantone allgmein gut genug aufgestellt, um solche Fälle zu verhindern?
Das sieht von Kanton zu Kanton anders aus. Ich denke, so schlimm es tönt, dass es sich hier nicht um einen Einzelfall handelt. Es gibt sicher auch noch in anderen Kantonen bucklige Bauern, die überfordert sind und den Hof schleifen lassen. Als Tieranwalt im Kanton Zürich habe ich damals solche Fälle miterlebt. Das Problem gehört systematisch aufgearbeitet. Aktuell haben wir keine Übersicht über den Vollzug des Tierschutzes in der Schweiz durch die Verwaltungsbehörden.
Bräuchte es eine Art Kesb, also eine Schutzbehörde, damit solche Fälle nicht mehr passieren?
Es zieht sich bei mir bei diesen vier Buchstaben, die ein gewisses Reizpotential in der Politik haben, alles zusammen. Diese Vorstellung wäre politisch im Moment nicht umsetzbar. Ich denke, es ist noch zu früh zu sagen, was es genau braucht. Zuerst muss man analysieren, was bisher falsch gelaufen ist und wo die Kantone in ihrem Vollzug unterstützt werden können. Da könnte es durchaus Lösungen geben, die sich von Kanton zu Kanton unterscheiden.
Sie verlangen also, dass die Tiere eine Stimme bekommen und dass Kantonstierärzte juristisch besser beraten werden müssen, damit diese das Tierschutzgesetz besser vollziehen können.
So sehe ich das. Es wäre toll, wenn Kantonstierärzte ein Budget hätten, um sich Tieranwälte leisten zu können. Diese wissen wie sie das etwas anspruchsvolle Tierschutzgesetz auch tatsächlich zum Schutz der Tiere und nicht der Tierhalter durchsetzen können.
Das Gespräch führte Noëmi Ackermann.