«Pro Woche werden uns ein bis zwei Vorfälle gemeldet». Alexandre Brodard ist besorgt. Der Leiter der Suchthilfe-Stelle Contact Nightlife in Bern berichtet über eine gefährliche Entwicklung auf dem Drogenmarkt: «Seit etwa einem halben Jahr kommen Konsumenten mit Cannabis zu uns, das mit synthetischen Cannabinoiden gestreckt wurde».
Dutzende Tote
Das Phänomen ist in ganz Europa bekannt. Infolge des Konsums dieser Hanfblüten ist es zu Dutzenden Todesfällen gekommen. 61 Tote sind zu beklagen, Experten schätzen die Dunkelziffer um ein Mehrfaches höher.
Die Herstellung ist kinderleicht.
Christian Bissig, Chemiker beim Forensischen Institut Zürich, hat die neuartige Droge untersucht. Wie die synthetische Substanz auf die Hanfblüten kommt, ist bekannt: «Die Herstellung ist kinderleicht. Es braucht nur einen Zerstäuber, wie er in jedem Gartengeschäft erhältlich ist. Damit wird das chemische Gemisch aufgesprayt.»
Grundlage ist harmloser Cannabis
Das Gemisch ist ein fataler Cocktail aus verschiedenen, synthetisch hergestellten Substanzen. «Die Substanzen sind uns bekannt. Sie sind psychoaktiv, haben also im Grunde genommen eine ähnliche Wirkung wie das THC, das natürlich im Hanf enthalten ist».
Der Unterschied: Die künstliche Auftragung des Gemischs erfolgt nie homogen. Das heisst, behandelte Hanfblüten können mehr oder weniger der Substanz abbekommen. Die Konzentrationen können dabei so stark sein, dass eine Überdosis die Folge ist.
Brisant an der neuen Droge ist: Die Grundlage von Marihuana, das mit diesen synthetischen Cannabinoiden behandelt ist, ist eigentlich harmloser Cannabis ohne Rauschwirkung. Dieser sogenannte Industrie-Hanf darf in der Schweiz legal angebaut und verkauft werden. In den letzten Jahren ist es jedoch zu einer Überproduktion gekommen, die Preise sind in den Keller gerauscht.
Mit synthetischen Cannabinoiden behandelt kann dieser Industrie-Hanf wieder in den Drogenmarkt eingeschleust werden – zum fünffachen Preis.
Drastische Wirkung
Zudem braucht es nur kleine Mengen der Substanzen, um grosse Mengen Hanfblüten zu behandeln. Ein Kilogramm Wirkstoff reicht aus für 2500 Kilogramm Hanf. Damit können 10 Millionen Joints gedreht werden.
Für die Hersteller ein lukratives, für die Konsumentinnen und Konsumenten ein unter Umständen tödliches Geschäft.
Wenn Ihr konsumiert, lasst es langsam angehen. Ein, zwei Züge – dann warten.
Der Konsum von chemisch gestrecktem Cannabis kann drastische Nebenwirkungen haben. Erbrechen, Ohnmacht, Wahnvorstellungen. In Extremfällen werden Psychosen ausgelöst. Und es kommt immer wieder zu Herzinfarkten.
Kein Erkennungsmerkmal
Besonders perfid: Konsumentinnen und Konsumenten können den behandelten Hanf nicht erkennen. «Er unterscheidet sich weder von Auge noch im Geruch von herkömmlichem Cannabis. Allein der mikroskopische Untersuch lässt eine Bestimmung zu», erklärt Chemiker Christian Bissig.
Das macht es so gefährlich. Alexandre Brodard von der Berner Suchthilfe Contact Nightlife rät den Konsumierenden zu besonderer Vorsicht: «Wenn Ihr konsumiert, lasst es langsam angehen. Ein, zwei Züge – dann warten. Nach zehn bis 15 Minuten müsste klar sein, ob es ein gefährlicher Trip wird».