Am 5. April 2020 fanden Passanten in einer Sandsteinhöhle am Bruggerberg (AG) eine tote Person. Die Überreste stammten von einem jungen Mann, der im Kanton Zürich seit 2019 als vermisst galt. Im März 2021 wurde der mutmassliche Täter festgenommen. Der 23-Jährige hat zugegeben, seinen Kollegen in der Höhle eingeschlossen zu haben. Das Opfer war darin erfroren.
Seit Montag läuft der Prozess am Bezirksgericht Brugg. Die Staatsanwaltschaft hat den 22-Jährigen wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Laut Anklageschrift hat er bereits vor der Tat in Brugg versucht, seinen Kollegen im Tessin einen Hang hinunterzustossen.
Für die Staatsanwaltschaft ist klar: Der Angeklagte hat die Tat in der Sandsteinhöhle am Vorabend geplant. Dem Kollegen sollte es genauso «scheisse» gehen, wie ihm selber. Neid, Eifersucht, Missgunst und Rache seien im Spiel gewesen. Die Staatsanwaltschaft beantragt eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren und vier Monaten sowie eine stationäre Massnahme. Der Angeklagte sagte vor Gericht, es sei schwierig, über die Tat zu sprechen.
Mutproben und Druck
Auf Initiative des Angeklagten haben die beiden Männer Ausflüge unternommen. Das Opfer hatte gemäss Eltern eine Entwicklungsverzögerung und war froh, einen Freund gefunden zu haben. Um den Treffen «Action» zu verleihen, habe sich der Beschuldigte ein Spiel ausgedacht. Er habe «Challenges» erfunden, Herausforderungen, bei denen sein 24-jähriger Kollege Mut, Geschicklichkeit und Kraft beweisen musste.
Der Angeklagte habe vorgegaukelt, dass noch andere am Spiel teilnehmen würden. «Der Beschuldigte, der einerseits froh darum war, jemanden gefunden zu haben, der mit ihm Zeit verbrachte, empfand gegenüber seinem Freund immer stärker werdende Neidgefühle», so die Staatsanwaltschaft.
Fataler Entscheid
Am Tag der Tat waren die beiden verabredet. Das Opfer musste erneut «Challenges» absolvieren. Bei einer Sandsteinhöhle am Bruggerberg schlug der Angeklagte vor, dass sich jeder der beiden zehn Minuten in der Höhle aufhalten muss – ohne Mobiltelefon, ohne Armbanduhr, ohne Jacke. Der Kollege war als Erster dran. «Als dieser nicht wollte, ärgerte sich der Beschuldigte und setzte Druck auf», schreibt die Staatsanwaltschaft.
Der Höhleneingang war 30 Zentimeter hoch, 50 Zentimeter breit – der Kollege kroch rein und sprach mit dem mutmasslichen Täter während rund sechs Minuten. «Während des Wartens und beim Erblicken des losen Gesteins über der Höhle fasste der Beschuldigte den Entschluss, den Geschädigten in der Sandsteinhöhle einzuschliessen.»
Höhle zugeschüttet
Der Angeklagte rollte Steine bergabwärts und schüttete die Höhle zu. Sein Kollege wurde panisch und bat seinen Freund, die Rega aufzubieten. Dieser aber schloss die Höhle definitiv, «obwohl er während des Verschliessens Klopfgeräusche wahrnahm». Danach habe er vor der Höhle einen Cervelat gebraten. In der kalten Höhle sei das Opfer erfroren.
Zwei forensische Psychiater diagnostizierten beim Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung. Zudem habe er ADHS und eine unterdurchschnittliche Intelligenz. Bereits nach der Geburt seien Auffälligkeiten festgestellt worden, im Jugendalter kam aggressives Verhalten auf, der Angeklagte verbrachte Zeit in Heimen.
Momentan befindet er sich im Gefängnis Lenzburg. Am Donnerstag wird das Urteil bekanntgegeben. Es gilt die Unschuldsvermutung.