Ein Tötungsdelikt in Basel wirft erneut Fragen nach dem Umgang mit psychisch kranken Tätern auf: Am Donnerstag ist eine ältere Frau in Basel getötet worden. Am Tag darauf konnte die Polizei den mutmasslichen Täter festnehmen. Es handelt sich um einen Mann, der bereits vor zehn Jahren zwei Menschen umgebracht und jemanden schwer verletzt hatte. Ein Gericht verurteilte ihn damals zu einer stationären Massnahme. Trotzdem hatte er unbegleiteten Ausgang erhalten.
Kriminalprognosen sind komplex
Hätte das vorhergesehen werden können? Zukünftige Ereignisse lassen sich nicht einfach voraussagen. «Bei einer Kriminalprognose ist es noch komplexer, weil es hier darum geht, zukünftiges menschliches Verhalten vorauszusagen», erklärt Benjamin Brägger, Jurist und Experte für Strafvollzug.
In den vergangenen 20 Jahren habe man zwar enorme Fortschritte gemacht mit forensischen Instrumenten, um besser analysieren zu können, ob jemand rückfällig werden könnte. Für den konkreten Fall in Basel können Benjamin Brägger wie auch der forensische Psychologe Jérôme Endrass aber nur Mutmassungen anstellen, da sie keine Akteneinsicht haben.
Endrass arbeitet im Justizvollzug des Kantons Zürich. Bevor ein Täter einen unbegleiteten Ausgang erhalte, gebe es verschiedene Prüfungen, mehrere Fachleute würden mitentscheiden und es gebe Zwischenschritte. Zum Beispiel zuerst ein Ausgang mit Begleitung.
Die zwei Seiten eines Menschen
Laut Endrass gibt es Täter mit einer sogenannten doppelten Buchführung: «Das heisst, er kann sich nach aussen sehr angepasst und korrekt zeigen. Und gleichzeitig schlummert in ihm etwas anderes, was von aussen nicht sichtbar ist.» So gelange man zu einer falschen Einschätzung. Das seien aber seltene Fälle.
Doch soll ein Mann, der bereits zwei Menschen getötet hat und dem vor zehn Jahren eine Schizophrenie diagnostiziert wurde, überhaupt wieder allein in die Stadt gehen dürfen?
Es sei die Vorstellung im Strafrecht, dass es ein Primat der Wiedereingliederung gebe, sagt Endrass. «Es gibt ganz, ganz wenige Fälle in der Schweiz, bei denen ein Gericht zum Schluss kommt, dass eine Person nicht mehr eingegliedert werden kann. Und dann wird eine Verwahrung ausgesprochen.»
Kliniken oft weniger risikoorientiert
Strafvollzugsexperte Brägger hat in seinen fast 40 Jahren Tätigkeit festgestellt, dass Straftäter mit schweren psychischen Erkrankungen in Kliniken anders behandelt werden als zum Beispiel verwahrte Mörder in Gefängnissen.
In den Gefängnissen stehe seit einigen Jahren die Risikoanalyse im Vordergrund. «Die Wiedereingliederung oder Resozialisierung steht dann hinten an. Nur wenn eindeutig feststeht, dass das Risiko eines schweren Rückfalls nicht gegeben ist, beginnen die anderen Massnahmen.»
Die Klinik hingegen sei eine medizinische, eine Heilinstitution. «Dort geht es darum, als Arzt zu intervenieren und die psychische Störung zu behandeln. Und die Kenntnisse über den Justizvollzug und dessen Methoden sind dort weniger bekannt.» Brägger fordert darum, dass auch Kliniken vermehrt die Risikoanalyse in den Vordergrund stellen und dass die Behörden die einzelnen Schritte überwachen.
Wie es im Fall in Basel konkret ausgesehen hat, wird wohl eine Untersuchung zeigen. Die Basler Behörden wollen die Öffentlichkeit am Montag an einer Medienorientierung informieren.