Es ist eine tragische Geschichte, die auch nach mehr als sechs Jahren noch nicht zum Abschluss gekommen ist. Im Sommer 2014 erlitt eine syrische Flüchtlingsfrau eine Totgeburt, nachdem sie hochschwanger von der Schweiz nach Italien zurückgeschafft wurde.
Auf eine Entschädigung wartet die betroffene Familie noch immer. Doch nun gibt es Hoffnung, dass noch vor Weihnachten eine Entscheidung darüber fallen könnte.
Grenzwächter verurteilt
Strafrechtlich ist der Fall aufgearbeitet. Ein Militärgericht hat den für den Einsatz verantwortlichen Grenzwächter aus Brig vor zwei Jahren wegen Körperverletzung und nicht Befolgen von Dienstvorschriften zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Er hatte nicht sofort medizinische Hilfe organisiert, als die schwangere Frau über starke Schmerzen klagte.
Obwohl sich die betroffene syrische Frau und ihre Familie ein strengeres Urteil erhofft hatten, verzichteten sie auf einen Weiterzug an eine höhere Gerichtsinstanz und versuchten stattdessen, auf zivilrechtlichem Weg eine Genugtuung oder Entschädigung zu erhalten.
Erkrankung durch seelisches Leid
Doch die lässt nach wie vor auf sich warten, was für die Frau sehr belastend sei. «Sie leidet unter einer Neurodermitis, wegen der sie immer wieder ins Spital muss. So etwas hatte sie früher nicht», erklärt ihre Anwältin Dina Raewel.
Offensichtlich sei die Erkrankung durch das seelische Leid nach der Totgeburt ausgelöst worden. Die Opferanwältin ist überzeugt, dass es der Frau und ihrer Familie bei der Trauerbewältigung helfen würde, wenn das ganze Verfahren endlich zu einem Abschluss käme.
Eine Entschädigungsleistung durch die Schweizer Behörden wäre dabei ein wichtiges Zeichen. «Das bringt das Kind natürlich nicht zurück», so Raewel. «Aber sie hätten dann das Gefühl, von den Schweizer Behörden ernst genommen zu werden.»
10'000 Franken Entschädigung
Die Anwältin zeigt sich allerdings enttäuscht vom Vorschlag, den die Eidgenössische Zollverwaltung gemacht hat. 10'000 Franken hat die Behörde als Entschädigung angeboten, wie vor einiger Zeit die Tageszeitung «Le Temps» berichtet hatte. Dieser Vergleichsvorschlag sei beschämend, so Raewel.
Die Opferanwältin hofft nun, dass das zuständige Eidgenössische Finanzdepartement der syrischen Familie eine deutlich höhere Entschädigung zusprechen wird. Sie habe Signale erhalten, dass noch dieses Jahr eine Entscheidung dazu fallen solle.
Das Finanzdepartement will mit Verweis auf das laufende Verfahren keine Angaben zur Entschädigung der syrischen Familie machen.