Die Zeit ist stehen geblieben: In der Gaststube stehen Aschenbecher auf den Tischen, die Küche ist stark veraltet, die Bettwäsche aus dem letzten Jahrhundert. Es sieht aus, als wären die letzten Gäste gerade erst abgereist. Doch das Hotel Schwendi im Berner Oberland steht schon seit fast 20 Jahren leer. Die Einrichtung und die Bausubstanz sind stark veraltet.
Das alte Hotel Schwendi
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Bild 1 von 6. Das Hotel wurde um 1900 erbaut. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 6. Nun soll das alte Haus saniert werden. Bildquelle: Michael Bähni/SRF.
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Bild 3 von 6. Das Hotel wurde von Zeit zu Zeit den neuen Bedürfnissen angepasst. Doch vieles ist stark in die Jahre gekommen – wie zum Beispiel die Küche. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 6. Das waren noch Zeiten: Damals, als man in der Gaststube rauchen durfte. Die Aschenbecher stehen aber noch alle da. Bildquelle: SRF.
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Bild 5 von 6. Auch die elektrischen Anlagen sind aus einer anderen Zeit. Bildquelle: SRF.
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Bild 6 von 6. Hier schlief fast 20 Jahre niemand mehr. Bildquelle: SRF.
Ein Haus aus einer anderen Zeit: Die neuen Eigentümer schreckt das nicht ab. Im Gegenteil. Barbara und Martin Künzi sind dem Charme des kleinen Gasthauses erlegen. Das Thuner Ehepaar hat das Hotel in der Gemeinde Schattenhalb im Haslital vor rund zwei Jahren gekauft. Jahrelang sind sie am Haus auf Velotouren vorbeigefahren.
Nun wollen sie ein gemeinsames Projekt starten – als Quereinsteiger. Martin Künzi ist Markenstratege und berät Firmen, Barbara Künzi arbeitet als Logopädin. «Wir haben nach einem gemeinsamen Projekt gesucht», sagt der 51-Jährige. «Ein Hotelprojekt war jedoch nie unser Traum – nun versuchen wir es einfach.» Das Haus ist aber alt, die Sanierung wird ins Geld gehen. «Albträume haben wir nicht», sagt die 52-jährige Hoteleigentümerin. «Wir haben keine Angst – aber Respekt. Und das ist gut so.»
Doch es ist nicht einfach. Das zeigte sich schon kurz nach dem Kauf. Im Frühsommer 2023 wollten Künzis mit einem Fachmann das Haus wieder an die Wasserversorgung anschliessen. Doch lange klemmte es bei der Hauptleitung. Danach kam zuerst nur eine braune Brühe aus der Leitung, später tropfte es zeitweise von der Decke, Leitungen waren defekt.
Vor einem Jahr hatten wir einen Durchhänger.
Auch die Planung der Sanierung gestaltete sich schwierig. Die Künzis mussten mitten in der Planungsphase das Architektenteam wechseln. Zudem ist es mit der Baubewilligung kompliziert. «Als wir mit dem Projekt nicht mehr richtig vorwärtskamen, war es schwierig», erinnert sich Barbara Künzi. «Vor einem Jahr hatten wir einen Durchhänger – das raubte viel Energie.»
Wenn die Energie knapp wird
Mittlerweile wurde das Baugesuch für die Sanierung bei den Behörden eingereicht, die Bewilligung ist aber noch nicht da. Das wird dauern; voraussichtlich mehrere Monate.
Trotzdem: Vor ein paar Wochen konnte es mit der Sanierung losgehen. Jedenfalls ein bisschen. Mit Freunden und Bekannten räumten sie unpassende Sachen aus dem Hotel: Spannteppiche oder Holzvertäfelungen beispielsweise.
Die Pläne haben sich in den Monaten nach dem Kauf geändert. Statt ein Hotel mit zwölf Zimmern soll es sechs Appartements mit verschiedenen Zimmern geben. Angedacht sind auch kleine Küchen oder Kochnischen. Die Idee: So muss nicht immer jemand vor Ort sein und die Gäste bewirten – was Personalkosten spart. Und: Dadurch können Künzis etwas weniger Gäste bewirten, was Absicht ist.
Maximal neun Gäste werden vor Ort übernachten. Ab zehn müssten bei der Sanierung mehr Brandschutzauflagen sowie Auflagen bezüglich der Barrierefreiheit eingehalten werden.
Die Pläne für das alte Hotel Schwendi
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Bild 1 von 3. Aus den alten Zimmern soll es kleine Ferienwohnungen geben. Bildquelle: zvg/Hotel Schwendi.
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Bild 2 von 3. Dadruch soll der Betrieb einfacher werden. In den Zimmern soll der Charme des alten Hotels erhalten bleiben. Bildquelle: zvg/Hotel Schwendi.
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Bild 3 von 3. Die kleinen Küchen werden zusammen mit den Toiletten eingebaut. Bildquelle: zvg/Hotel Schwendi.
Ein altes Hotel beleben – das ist durchaus eine Herausforderung. Die Schweiz hat etliche Hotels, die schon seit Jahrzehnten oder sogar noch länger betrieben werden; Schmuckstücke, die weit über die Region hinaus strahlen. Einige wurden in aufwändigen Aktionen gerettet, wie zum Beispiel das Hotel Giessbach am Brienzersee.
Neue Leute in alten Hotels
Andere stehen für gehobenen Wintertourismus, fanden Eingang in die Weltliteratur oder waren schon früher Anziehungspunkte für verschiedenste Persönlichkeiten; sei es beispielsweise das Hotel auf der Schatzalp bei Davos oder das Waldhotel in Sils im Engadin. Verschiedene alte Hotels wurden in den letzten Jahren von Quereinsteigern übernommen. Oftmals mit Erfolg.
Vier Beispiel von Quereinsteigern und ihren alten Hotels
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Bild 1 von 4. Das Hotel Chesa Grischuna in Klosters war lange in Familienbesitz. Seit 2022 wird es von einer ehemaligen Journalistin und Unternehmerin und ihrem Lebenspartner betrieben. Bildquelle: zvg/Swiss Historic Hotels.
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Bild 2 von 4. Die Villa Pineta in Fusio TI wird seit einigen Jahren von einem ehemaligen Musiker und seiner Familie betrieben. Bildquelle: zvg/Swiss Historic Hotels.
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Bild 3 von 4. Die Auberge du Mouton in Porrentruy JU ist 300-jährig und wurde kürzlich saniert. Bildquelle: zvg/Swiss Historic Hotels.
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Bild 4 von 4. Das Hotel Erica in Langenbruck BL wird seit wenigen Jahren von zwei Schwestern geführt – auch sie hatten keine grossen Gastroerfahrungen. Bildquelle: zvg/Swiss Historic Hotels.
Für viele solche historischen Hotels sei die Situation derzeit sehr erfreulich, sagt Roland Hunziker, Geschäftsführer von Swiss Historic Hotels, der Vereingung historischer Hotels. Die Nachfrage auf dem Markt nach solchen Unterkünften sei da – auch von ausländischen Gästen.
Er schiebt jedoch gleich ein grosses Aber nach. «Der Betrieb eines historischen Hotels bringt viele Herausforderungen mit sich – vor allem, was Unterhalt und Investitionen angeht.» Das bestätigt auch Vera Weber, Direktorin des Grandhotels Giessbach oberhalb des Brienzersees.
Das Hotel Giessbach ist 150 Jahre alt – und braucht dementsprechend viel Aufmerksamkeit. «Wir müssen immer restaurieren – nur so kann das Hotel erhalten bleiben», sagt Vera Weber. Das Hotel steht exponiert an einem Steilhang, oberhalb des Brienzersees, vom tosenden Giessbachfall umgeben. Dadurch ist es den Elementen besonders ausgesetzt. Vera Weber staunt selber, dass es gelingt, das Gebäude in Schuss zu halten. «Es braucht viel Engagement, Hingabe – und vor allem Leidenschaft.»
Finanziell sei es ein Kraftakt. Der Hotelbetrieb müsse sich selber tragen, sagt Vera Weber. Das Hotel Giessbach erhält aber auch Spenden und Zuschüsse, denn zum Betrieb gehören ein Park, Wald sowie eine Schifflände und eine historische Drahtseilbahn. All das braucht Pflege – was ins Geld geht.
Quereinsteiger brauchen nicht nur Geld
Andreas Rickly ist Unternehmensberater und berät Hotels und Restaurants. Er stellt fest, dass sich seit der Coronapandemie vermehrt Quereinsteiger für die Gastronomiebranche interessieren – und Beratung in Anspruch nehmen. «Gerade ein altes Haus zu sanieren und dann zu führen, ist eine Herkulesaufgabe», sagt der Berater.
Mein wichtigster Rat: Quereinsteiger müssen zu sich Sorge tragen.
Es gehe nicht nur darum, dass solche Projekte viel Geld verschlingen, sondern den Betreibern auch enorm viel Energie abverlangen würden. «Erholung liegt kaum drin. Ferien sowieso nicht», so der Berater. Das werde oft unterschätzt. «Mein wichtigster Rat an diese Quereinsteiger: Sie müssen Sorge zu sich tragen und gesund bleiben. Sonst ist das Projekt zum Scheitern verurteilt.»
Er kenne genügend Beispiele, wo es an der Gesundheit der Initiantinnen und Initianten scheiterte. Oftmals gehe auch der anfängliche Elan verloren; gerade, wenn Gebäude langwierig saniert werden müssten. «Schon nur einen Betrieb zu führen erfordert viele Überlegungen rund um Personalplanung oder Buchungssystem», so Berater Andreas Rickly.
Optimismus und Idealismus im Haslital
Im Haslital sind sich die frischgebackenen Hoteleigentümer der Herausforderung bewusst. Angst vor dem Scheitern haben die Eigentümer des Hotels Schwendi nicht. «Wir können gar nicht scheitern», sagt Martin Künzi. «Für uns ist es ein schönes Projekt, an dem wir von Zeit zu Zeit gemeinsam arbeiten können.» Sie hoffen, die Sanierung im Winter zu starten. Der Plan: Im Spätsommer 2025 Gäste bewirten. Der Weg dazu ist noch lang. Mit Überraschungen ist zu rechnen.