Die märchenhafte Geschichte der Hoteliersfamilie Seiler hat den Tourismus in Zermatt und der Schweiz entscheidend geprägt – vor allem in der Blütezeit der Belle Epoque.
Der Urenkel Stephan Seiler hat tief in den Archiven gegraben und die gesamte Familiengeschichte im Buch «Die Seiler-Saga» niedergeschrieben. Hier die wichtigsten Punkte der Familiengeschichte:
Vom Seifensieder zum Hotelfürsten: Alexander Seiler kam 1852 in das abgeschottete Bergbauerndorf Zermatt. Auf Anraten seines Bruders, des Dorfpfarrers von Zermatt, kaufte der gelernte Seifensieder eine kleine Herberge mit 12 Betten. «Der Bruder schlug ihm sogar vor, ‹mit der schönsten Aussicht in den Bergen›, ein Gasthaus auf der Riffelalp zu bauen. So weit kam es aber nicht», sagt Stephan Seiler zu SRF. Damals ahnte noch niemand, dass er damit den Grundstein für den Aufstieg Zermatts zum weltbekannten Tourismus-Hotspot legte.
Die Eroberung des Matterhorns: Nach der dramatischen Erstbesteigung des Matterhorns am 14. Juli 1865, die mehrere Todesopfer forderte, zogen Seilers Hotels Abenteurer und Adelige aus ganz Europa an, die ebenfalls das Matterhorn bezwingen wollten – oder einfach nur die fantastische Bergwelt genossen. Es ging Schlag auf Schlag: 40 Jahre nach der Eröffnung des ersten Gasthauses hatte Seiler in Zermatt, Brig und am Rhonegletscher ein Imperium mit neun Hotels, 1000 Betten und 700 Angestellten aufgebaut, darunter das Mont Cervin und den Zermatterhof.
Der Aufstieg des «Auswärtigen»: Alexander Seiler hat ganz unten angefangen. «Er besuchte nur die Primarschule, ging dann aber nach Deutschland und lernte so andere Kulturen kennen», erklärt Stephan Seiler. Alexander Seiler liess sich nicht beirren und heiratete nach einigen Frauengeschichten seine Frau Catharina, mit der er 16 (!) Kinder hatte. Beide prägten nicht nur die Wirtschaft von Zermatt, sondern auch die Gesellschaft der Belle Epoque. Das kam nicht überall gut an. «Es gab auch viel Widerstand, die Seilers mussten 18 Jahre um das Bürgerrecht kämpfen. Sie wurden lange als Auswärtige taxiert, obwohl sie aus dem Wallis kamen.»
Tourismusboom dauert an: Am 10. Juli 1891 stirbt Alexander Seiler. Sein Tod fällt mit der Eröffnung der letzten Etappe der Visp-Zermatt-Bahn zusammen, die Seiler massgeblich vorangetrieben hatte. Die Erfolgsgeschichte der Seiler-Familiensaga geht weiter. Der Sohn von Alexander Seiler gründete später die Organisation Schweiz Tourismus, die weltweit für die Schweiz die Werbetrommel rührt. «Wir sind alle sehr stolz auf unsere Familie, was sie damals geleistet hat», sagt Urenkel Stephan Seiler. Gerade in Zermatt hält der Tourismusboom bis heute an – über 1.2 Millionen Übernachtungen verzeichnete der touristische Hotspot laut Beherbergungsstatistik im Jahr 2024 allein von Januar bis August.
Der Verkauf: 2021 endete eine über 170-jährige Familiensaga mit dem Verkauf des Familienunternehmens an die Schweizer Spital- und Hotelgruppe Aevis Victoria, der mehrere Luxushotels gehören.
Stellt sich die Frage: Warum hat Stephan Seiler ausgerechnet jetzt ein neues, 350 Seiten starkes Buch über die Familiengeschichte geschrieben? Über Alexander Seiler sei zwar schon viel geschrieben worden: «Aber es gibt kein Buch, das die ganze Geschichte erzählt», sagt der Urenkel. Er habe 2014 kistenweise alte Dokumente in einem Nachlass gefunden – und das Interessante dann aufgeschrieben.