Die Zahlen vom letzten Jahr sind schaurig: Bei häuslicher Gewalt sind in der Schweiz 24 Frauen getötet worden, zu versuchten Tötungen kam es einmal die Woche. Deshalb lässt Bundesrätin Karin Keller-Sutter prüfen, ob mit Trackern die Sicherheit von solchen Gewaltopfern erhöht werden könnte, bestätigt das Eidgenössische Justiz- und Polizei-Departement (EJPD). Eben dies verlangt ein Vorstoss aus dem Parlament.
Das sei im Sinne der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, sagt Präsident Urs Hoffmann und erklärt: «Gefährdete Frauen würden durch ein Gerät gewarnt, wenn ein potenzieller Gefährder in ihre Nähe kommt.» Die Frauen hätten damit die Möglichkeit, rechtzeitig zu reagieren und falls nötig die Polizei zu rufen.
Wird Polizeiaufgabe an Frauen delegiert?
Es geht also um ein Vorwarnsystem für Opfer häuslicher Gewalt, bei welchen die Täter ein Rayonverbot erhalten hätten, das auch mit elektronischer Fussfessel kontrolliert werden kann. Diese Überwachung könnte zwar auch die Polizei rund um die Uhr machen. Das wäre aber zu aufwändig und zu teuer. Ein solches Vorwarnsystem könnte eine Alternative dafür sein. Deshalb werden die verschiedenen Möglichkeiten nun geprüft.
Wenn es blinkt oder piepst, ist die Frau dafür verantwortlich, sich in Sicherheit zu bringen. Eigentlich wäre dafür der Staat zuständig.
Skeptisch äussern sich Stellen, die direkt mit von Gewalt betroffenen Frauen arbeiten. Bei der Dachorganisation der Frauenhäuser befürchtet Vorstandsmitglied Marlies Haller, dass die Verantwortung vom Staat an die Frau delegiert würde: «Wenn es blinkt oder piepst, ist die Frau dafür verantwortlich, sich in Sicherheit zu bringen. Eigentlich wäre dafür der Staat zuständig.»
Tracker könnten psychischen Druck aufsetzen
Ähnlich äussert sich Doris Binda vom Frauen-Nottelefon in Winterthur. Nach ihrer Erfahrung sind die aktuellen Systeme sehr störungsanfällig. Wie Haller sieht auch Binda im Vorwarnsystem eine konstante Verbindung zwischen einem bereits gewalttätig gewordenem Mann und dem Opfer – in der Regel ist es die Frau.
Fehlalarme und die Vorstellung der ständigen Verbindung über GPS erhöhten den psychischen Druck: «Das ist eine eher belastende Situation. Wir stellen stark infrage, wie hoch der Nutzen solcher Tracker sein würde.»
Der politische Prozess läuft
Diese Einschränkungen sehen auch die Behörden. Bei den Kantonen warnt Urs Hoffmann vor falschen Erwartungen: «Es wäre nicht möglich, dass die Polizei immer rechtzeitig vor Ort ist, wenn ein Gefährder zu Nahe an ein potenzielles Opfer gelangt.» Deshalb werde nun sorgfältig abgeklärt, was am sinnvollsten wäre.
Aus Hoffmanns Sicht ist ein neues Überwachungssystem im Bereich häusliche Gewalt spätestens ab 2023 einsetzbar. Der Bundesrat dagegen will im nächsten Jahr auf den parlamentarischen Vorstoss antworten können, der angeregt hat, ein Vorwarnsystem zu prüfen.