Der fehlende Schnee war in diesem Winter ein Dauerthema. Zum einen war es insgesamt rund zweieinhalb Grad zu warm. Zum anderen regnete es zu wenig.
In einem am Montag veröffentlichten Interview mit «La Liberté» warnt Hydrologe Massimiliano Zappa vor Wassermangel in zwei bis drei Monaten. Auch gegenüber SRF nahm er jetzt Stellung.
SRF News: Wie trocken ist es aktuell in der Schweiz?
Massimiliano Zappa: Zurzeit fehlen in den Bergen grossräumig etwa 200 mm Wasseräquivalent an Schnee. Das sind 200 Liter pro Quadratmeter.
Das heisst: Überall, wo man hinschaut, ist es sehr trocken?
Wenn man von Trockenheit spricht, denkt man oft an Sommertrockenheit und an staubige Böden. Das ist aber in diesem Fall anders. Man sieht das vielleicht nicht so direkt. Aber laut den Aufzeichnungen im Vergleich zu den letzten Jahren ist viel zu wenig Wasser vorhanden. Man spricht vor allem jetzt von einem angehenden Wasserdefizit.
Wo gibt es ein grosses Wasserdefizit?
Vor allem im Alpenraum, weil es dort im Winter zu wenig geschneit hat. Zwar ist zum Teil einiges an Niederschlag angefallen. Doch dieser ist bereits abgeflossen oder zum Teil schon in Stauseen gespeichert. Zudem gibt es im Tessin und in Norditalien schon seit letztem Jahr ein grosses Wasserdefizit.
Aktuell zeigt sich das beim niedrigen Pegelstand des Lago Maggiore und einem Tessiner Feuerverbot. Auch die Böden sind dort bereits am Austrocknen.
Was müsste jetzt passieren, damit sich die Situation entschärft?
Es müsste regnen oder schneien – und das nicht durchschnittlich, sondern überdurchschnittlich. Mit einem durchschnittlichen Frühling entschärft sich zwar die Situation kurzfristig, aber das Wasserdefizit wird dadurch nicht aufgeholt. Diese 200 mm Wasseräquivalent an Schnee, die im Alpenraum fehlen, müssten in Form von Regen und Schnee – und am besten noch nicht alles auf einmal – in den kommenden Wochen kommen.
Was kann denn die Schweiz gegen die Trockenheit unternehmen?
Die vorig erwähnten Trockenperioden haben in der Schweiz gewisse Engpässe offenbart. In den Bergen hatte man zum Beispiel plötzlich kein Wasser mehr, um die Nutztiere mit genügend Wasser zu versorgen. Gewisse Gemeinden hatten Mühe, die Nachfrage nach Trinkwasser zu stillen. Dort sollte nun die Bereitschaft vorhanden sein, Massnahmen einzuleiten oder sich ab Mai für eine allfällige Wasserknappheit zu wappnen.
Man hat auch Bussen in Aussicht gestellt, wenn man sich nicht daran hält.
Das heisst: Auch die Behörden können kurzfristig etwas gegen die Trockenheit unternehmen?
Man kann den eigenen Wasserbedarf in der Gemeinde beobachten und entsprechend versuchen zu handeln. In der Tessiner Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin, hat man ab Mai 2022 die Bewässerung von Gärten und Sportanlagen, die Wasserentnahme für die Wasserwirtschaft oder das Autowaschen verboten. Man hat auch Bussen in Aussicht gestellt, wenn man sich nicht daran hält. Man hat auch versucht, den täglichen Bedarf zu drosseln.
Einige Menschen würden das kommende trockene Wetter als etwas Gutes sehen und sich darüber freuen. Kann man sie vor zu gutem Wetter warnen?
Man muss einfach sanft damit umgehen. Auch ich bin selber sehr glücklich, wenn im Sommer das Wetter schön ist.
Es ist nicht die Aufgabe einzelner Personen, mit den Wasserressourcen umzugehen.
Wenn ich aber weiss, dass es im Boden zu wenig Wasser hat, die Wassertemperaturen steigen und die Biodiversität sowie Flora und Fauna leiden, dann wäre ich auch bereit, etwas weniger zu verbrauchen. Es ist aber nicht die Aufgabe einzelner Personen, mit den Wasserressourcen umzugehen. Die Behörden sollten diese Schritte mit ihrer vergangenen Erfahrung einleiten.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.