Ein Familienvater meldet sich beim SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Seine Familie ist an einen neuen Wohnort gezogen. Für die drei Kinder ist bereits eine neue Kinderarztpraxis gefunden. Den Kinderarzt am alten Wohnort haben die Eltern gebeten, die Krankenakten weiterzuleiten.
Kurze Zeit später treffen drei Rechnungen zuhanden der Krankenkasse bei der Familie ein: Für das Weiterleiten der Krankengeschichte verrechnet der Kinderarzt drei Mal knapp 50 Franken, unter der Tarifposition «Aktenstudium in Abwesenheit des Patienten».
Arzt-Praxis: «Dies ist so üblich»
Der Familienvater ruft irritiert in die Praxis an und fragt, wofür die Rechnungen seien. Von einer Mitarbeiterin erhält er zur Antwort, dies sei der Aufwand für die Bereinigung der Akten, welche entsprechend Zeit brauche. Weiter sagt die Mitarbeiterin, das sei so üblich. Die Antwort hinterlässt beim Vater jedoch Fragezeichen.
Santésuisse: «Das Vorgehen ist nicht korrekt»
Der Krankenversicherungsverband Santésuisse bezeichnet das Verhalten der Arztpraxis als nicht korrekt. Mediensprecher Matthias Müller erklärt gegenüber «Espresso»: «Die Dokumentation einer Krankengeschichte, ob digital oder auf Papier, gehört zu einer normalen Leistung eines Arztes und ist bereits in den üblichen Tarifpositionen berücksichtigt.» Für das Übermitteln eines Patientendossiers dürfe ein Arzt nicht noch separat Geld verlangen.
Kommt dazu, dass im Gesetz über den Datenschutz klar geregelt ist, dass ein Patient Anspruch auf seine Akte hat. Nur wenn der Aufwand unverhältnismässig gross sei, erklärt SRF-Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner, dürfe ein Arzt dafür Geld verlangen.
Die Arzt-Praxis schreibt «Espresso», dass es in diesem Fall um etwas anderes gehe: «Diese Patientenfamilie hat gezügelt. In solchen Fällen ist es uns wichtig, dass bei diesem Arztwechsel die nötige Information sinnvoll gegliedert an den zukünftigen Arzt weitergeleitet wird.» Es handle sich hierbei nicht um eine schlichte Weiterleitung der Akten, sondern um eine ärztliche Vorbereitungsarbeit «im Interesse der Patienten.»
Und weiter: «In der so geleisteten Zeit differenzieren wir wichtige von unwichtigen Informationen, fassen zusammen und geben strategische Empfehlungen für die Weiterbetreuung.» Das mag durchaus sinnvoll und in bester Absicht geschehen sein. Nur: Der Vater hat dazu keinen Auftrag gegeben. Er hat lediglich die Weiterleitung der Dossiers angeordnet.
Krankenkassenverband rät Patienten, sich zu wehren
Mit der Argumentation der Arztpraxis ist Santésuisse nicht einverstanden. Ein Arzt habe die Krankengeschichte laufend so zu führen, dass sie jederzeit weitergeleitet werden könne. Und Mediensprecher Müller rät Patientinnen und Patienten: «Es lohnt sich, beim Arzt nachzufragen. Nützt das nichts, soll man sich bei der Krankenkasse melden, sodass diese den Fall dann mit dem Arzt direkt bereinigt.»
Espresso, 03.03.20, 08.13 Uhr