Die Affäre um fahrlässige Spesenbezüge einiger Institutsprofessoren der Hochschule St. Gallen (HSG) wird eben erst aufgearbeitet – nun kommt eine weitere finanzpolitische Erkenntnis ans Licht: Ein Nachdiplom-Studiengang wies per Ende 2017 eine Überschuldung von 1.1 Millionen Franken auf.
Dies geht aus einem vertraulichen Bericht der kantonalen Finanzkontrolle hervor. Diese hatte unter anderem die kritisierten Spesenbezüge an der HSG untersucht. Der Bericht wurde erstmals vom St. Galler Tagblatt öffentlich gemacht.
Brisant: Der Gründer des Studiengangs ist ein international renommierter Jurist. Der emeritierte Rechtsprofessor Carl Baudenbacher präsidierte 15 Jahre den Efta-Gerichtshof. In der Schweiz stand er jüngst mit seinen Gutachten und Artikeln zum Rahmenabkommen im Rampenlicht. Dabei positionierte er sich als Kritiker des vorliegenden Vertragsentwurfs.
Dringender Handlungsbedarf
Baudenbachers Studiengang – ein Nachdiplomstudium mit dem Namen «Executive Master of European and International Business Law» (M.B.L.-HSG) – wurde 1996 gegründet. Kostenpunkt pro Teilnehmer: 38’000 Franken. Über 600 Personen haben den Studiengang absolviert.
Die Finanzkontrolle des Kantons St. Gallen ortete bezüglich der finanziellen Situation des M.B.L.-HSG «höchste Handlungs-Priorität». Als Hauptgrund für die Überschuldung wird unter anderem ein «Verlust aus der normalen Geschäftstätigkeit» genannt. Das Angebot konnte nicht genügend Studenten anziehen, um sich zu finanzieren.
Hochschule will öffentliche Gelder schützen
Im Interview mit der «Rundschau» sagt HSG-Rektor Thomas Bieger, die Hochschulleitung habe in Absprache mit dem Universitätsrat darum den Studiengang auf Ende dieses Jahres eingestellt.
Die Überschuldung von 1.1 Millionen Franken sei eine Prognose, ein Worst-Case-Szenario. Die Zahl könne mit Glück und guter Arbeit noch reduziert werden, sagt Bieger.
Nach einer ersten Einschätzung empfiehlt die Finanzkontrolle, dass andere Weiterbildungsangebote und -institute der HSG mit ihrem Eigenkapital die prognostizierte Überschuldung des M.B.L.-HSG auffangen. Auch Bieger betont, man wolle das Loch nicht mit Steuergeldern stopfen.
Baudenbacher schiesst gegen HSG
Carl Baudenbacher selbst wirft der Uni «Erbsenzählerei» vor. «Das Studium war bis 2013 immer selbsttragend. Ich kann nicht nachvollziehen, dass man es jetzt untergehen lässt.» Zudem wäre ein Investor bereit gewesen, Millionen zu geben, sagt er.
Ausserdem, so Baudenbacher, müsse nicht jedes Programm selbsttragend sein: «Auch der Ruf und die wissenschaftliche Qualität sind wichtig. Das Studium war anspruchsvoll und wurde von Spitzenleuten absolviert.»
HSG-Rektor Bieger bestreitet die Qualität des Programms nicht. Dass ein Investor bereitgestanden wäre, kann er aber nicht bestätigen.
Die Universitätsleitung hat vergangene Woche angekündigt, dass – infolge der Spesenaffäre – alle Institute der Uni einer Sonderprüfung unterzogen werden.