Olya Tognetti empfängt in ihrem schmucken Reihenhäuschen im Weissensteinquartier, einem Wohnquartier von Bern. Im Flur fällt gleich die ukrainische Fahne auf, an ihrem Handgelenk trägt sie ein Armband in den gleichen Farben. «Himmelsblau und das Gelb der Weizenfelder – es sind die schönsten Farben überhaupt», sagt sie.
Ihre enge Verbundenheit mit der alten Heimat ist sofort spürbar, auch wenn Tognetti seit 27 Jahren in der Schweiz lebt. Seit Jahren engagiert sich die studierte Germanistin und Übersetzerin mit einer Interessengemeinschaft für ihr Heimatland, insbesondere seit dem Krieg in der Ostukraine.
Sie schickt Hilfe in die Ukraine und organisiert Infoabende für die Schweizer Bevölkerung. Dass russische und prorussische Kräfte vor sechs Jahren jene Region besetzten, von wo Tognetti stammt, und ihre Abspaltung anstreben, beschäftigt sie sehr. Im Westen werde der Krieg zu wenig wahrgenommen, sagt sie.
Die Schweiz und die Neutralität
Es sei schade, dass hierzulande über die Ereignisse in der Ostukraine so wenig berichtet werde. «Wir würden uns wünschen, dass man uns nicht vergisst», betont sie. Gerade in diesem Zusammenhang erhofft sich Tognetti noch mehr von der Schweiz.
Wir würden uns wünschen, dass man uns nicht vergisst.
Unser Land trage die internationalen Sanktionen wegen der Annexion der Krim-Halbinsel gegen Russland nicht mit. Die Schweiz dürfe sich nicht hinter ihrer Neutralität verstecken, fordert Tognetti. «Ausgerechnet die Schweizer, die so freiheitsliebend sind, sollten uns verstehen.» Man könnte auch als neutrales Land die Ukraine auf einem unabhängigen, freien und europäischen Weg unterstützen, findet sie.
Die Ukraine liegt ihr am Herzen
Mehr Unterstützung von der Schweiz wünscht sich auch Yaro, eine andere engagierte Exil-Ukrainerin. Sie sitzt auf einer Parkbank auf einem belebten Platz in der Zürcher Innenstadt. Im Hintergrund plätschert ein Brunnen. Sofort sticht ihr himmelblaues Halstuch ins Auge – wieder die ukrainische Farbe, wieder kein Zufall: «Die Ukraine liegt mir sehr am Herzen», sagt sie.
Es kann nicht sein, dass im 21. Jahrhundert, mitten in Europa, so etwas geduldet wird.
Yaro ist Mitte 40, hat eine eigene kleine Firma und möchte nicht ihren ganzen Namen nennen, weil sie auch russische Kunden hat und Ärger befürchtet. Denn ihre politische Haltung ist klar: Russland sei der Aggressor in der Ukraine und müsse seine Milizen abziehen. «Es kann nicht sein, dass im 21. Jahrhundert, mitten in Europa, so etwas geduldet wird.»
Ukrainer meist russlandkritisch
In jenen Kreisen, die in der Schweiz in ukrainischen Vereinen und Aktivistengruppierungen organisiert sind, herrscht vorwiegend eine russlandkritische Haltung vor. Natürlich kann es unter den 6500 Ukrainerinnen und Ukrainern hierzulande auch andere, russlandfreundlichere Meinungen geben. Aber prorussische Ukrainer sind schwierig zu finden, weil sie in der Schweiz nicht organisiert sind.
Die verschiedenen Ukrainer-Vereine in der Schweiz verfolgen den Staatsbesuch von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in der Ukraine genau. Sie alle hoffen auf eine aktive Rolle der Schweiz und auf Frieden in ihrer Heimat. So auch Olya Tognetti in Bern: «Ich mache mir Sorgen – aber ich bin auch zuversichtlich, dass wir es schaffen.» Dabei zählt sie auch auf die Hilfe der Schweiz.