Die verheerenden Raketenangriffe der Russen auf ukrainische Städte sorgen dafür, dass viele Menschen die Flucht aus dem Kriegsgebiet antreten. Der Bund geht davon aus, dass bis Ende Jahr bis zu 85'000 Menschen aus der Ukraine in die Schweiz kommen könnten. Im Extremfall könnte es sogar bis zu 120'000 sein. Einen Antrag auf den Schutzstatus S haben seit März insgesamt rund 66'000 Personen gestellt. Das sind aktuell also knapp hundert Anträge pro Tag.
Die Flüchtenden brauchen in der Schweiz ein Dach über dem Kopf. Eines, welches die Kantone und die Gemeinden zur Verfügung stellen müssen. Das stellt diese vor grosse Herausforderungen.
Kaum leere Wohnungen
Im Kanton Luzern zum Beispiel harzt es gewaltig mit der Suche nach geeigneten Unterkünften für die Flüchtenden. Ein Grund dafür: Der Kanton hat die Suche weitestgehend an die Gemeinden delegiert. Doch diese tun sich schwer.
Der Kanton kennt kein Pardon und macht nun finanziellen Druck: Er verlangt im Moment, dass die Gemeinden pro 1000 Einwohner und Einwohnerinnen 23.5 Plätze für Geflüchtete zur Verfügung stellen – ansonsten müssen sie eine Ersatzabgabe, sprich eine Busse zahlen.
Das sorgt für schlechte Stimmung bei den Gemeinden. Kein Wunder, denn: Von den insgesamt 80 Gemeinden im Kanton Luzern erfüllen nicht weniger als 64 ihr Soll eben nicht. Sie stellen also zu wenig Unterkunftsplätze zur Verfügung.
Bonus-Malus-Zahlungen kommen schlecht an
Eine dieser Gemeinden ist Schötz. Mit heute 4600 Einwohnerinnen und Einwohner ist die Gemeinde in den letzten Jahren stark gewachsen. Leere Wohnungen sind hier - wie vielerorts im Kanton Luzern - rar. Patrik Marbach, Sozialvorsteher von Schötz, steht vor einem Mehrfamilienhaus. «Hier wurde eine Wohnung frei, weil ein Bürger von Schötz gestorben ist. Sie wird ab dem 1. November für Flüchtlinge zur Verfügung stehen.»
Doch das reicht bei weitem nicht. Schötz müsste aktuell 106 Personen aufnehmen. Es fehlen 38 Plätze. Kann die Gemeinde kein Zuhause für die Flüchtlinge finden, wird sie vom Kanton zur Kasse gebeten. Das sei unfair, findet Patrik Marbach. «Viele Gemeinden sind nicht glücklich mit diesem Bonus-Malus-System des Kantons», fügt er hinzu. Der Druck sei gross, denn wenn die Gemeinde keine Unterkünfte finde, dann «holt uns das finanziell massiv ein».
Viele Gemeinden sind nicht glücklich mit diesem Bonus-Malus-System des Kantons.
Das Bonus-Malus-System sorge tatsächlich für schlechte Stimmung unter den Gemeinden, bestätigt auch Sibylle Boos. Sie ist Präsidentin des Verbandes Luzerner Gemeinden: «Gewisse Gemeinden verdienen Geld, weil sie mehr Flüchtlinge unterbringen können, als sie müssten. Andere suchen und finden nichts.» Das Ganze hänge wie ein Damoklesschwert über den Gemeinden.
Es braucht den finanziellen Druck.
Die Kritik richtet sich an die Luzerner Kantonsregierung, welche dieses System eingeführt hat. Der zuständige Regierungsrat Guido Graf hat zwar Verständnis dafür, dass gewisse Gemeinden reklamieren. Aber die Unterbringung der Menschen aus der Ukraine sei ein drängendes Problem: «Es braucht den finanziellen Druck.»
Man müsse handeln. Nur zusammenzusitzen am runden Tisch, das löse kein Problem. «Es läuft nicht alles gut», gibt sich Guido Graf selbstkritisch. Trotzdem: Was die Gemeinden - und auch seine Leute beim Kanton - leisten, sei extrem. Der Druck sei gross, aber es gehe schliesslich um Menschen.
Und eines sei in der aktuellen Lage ebenfalls klar: Die Suche nach geeigneten Unterkünften für Flüchtende aus der Ukraine werde noch einige Zeit anhalten.