Es waren heftige Bilder in den letzten Tagen aus der Ukraine: Dutzende Raketen wurden von der russischen Armee auf ukrainisches Staatsgebiet abgeschossen. Unzählige Menschen wurden getötet oder verletzt.
Die Angriffe waren gemäss Russland eine Antwort auf die Explosion auf der Krim-Brücke vergangenes Wochenende. Zahlreiche Elektrizitäts- und andere Werke waren oder sind ausser Betrieb. Der Flüchtlingsstrom nach Westeuropa dürfte in den kommenden Wochen und Monaten deutlich zunehmen.
Wie gross ist die Solidarität?
Aktuell geht der Bund davon aus, dass bis Ende Jahr 19'000 Asylgesuche eingehen und sich zusätzlich zwischen 80'000 und 85'000 Menschen aus der Ukraine in der Schweiz befinden werden. Einen Antrag auf den Schutzstatus S haben seit März insgesamt rund 68'000 Personen gestellt, das sind aktuell also knapp hundert Anträge pro Tag.
Die Schweiz muss sich also auf einen Ansturm auf den Winter hin gefasst machen. Ab wie vielen Menschen wird es für die Schweiz kritisch? «Jede Person, welche den Schutzstatus S möchte und bei welcher dieser auch berechtigt ist, bekommt diesen Status auch», erklärt Lukas Rieder, Mediensprecher beim SEM.
Rund 60 Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine leben in Gastfamilien, viele werden über die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) vermittelt.
Der Krieg dauert nun bereits fast acht Monate. Am Anfang war die Solidarität der Schweizerinnen und Schweizer äusserst hoch.
Könnte diese Solidarität durch eine erneute Flüchtlingswelle auf die Probe gestellt werden? Nein, findet Lionel Walter, Sprecher der SFH. «Für den aktuellen Bedarf haben wir genügend Kapazitäten und Adressen. Die Solidarität ist nach wie vor hoch.»
Die Kantone sind aktuell stark gefordert.
Auch die Kantone bereiten sich angesichts der aktuellen Lage auf einen erneuten Flüchtlingsstrom vor. Zum Beispiel der Kanton Glarus. Christine Saredi ist Asyl- und Flüchtlingskoordinatorin des Kantons Glarus. Sie zeigt die temporäre Notunterkunft für ukrainische Flüchtlinge in Rüti.
Früher war das Gebäude eine Primarschule. «Falls der Bedarf da wäre, wäre die Unterkunft innerhalb von drei bis vier Tagen betriebsbereit.» Aktuell leben im Kanton Glarus 244 ukrainische Flüchtlinge. «150 in Asylunterkünften, 66 in Gastfamilien und 28 in selber gemieteten Wohnungen.»
Die Kantone seien aktuell gefordert, so Saredi, im Asylbereich gleich mehrfach: «Da haben wir zum einen die Ukraine-Krise, wo die Zukunft ungewiss ist. Auch die regulären Asylgesuche sind angestiegen. Zusätzlich hat man bei den unbegleiteten Minderjährigen hohe Zahlen. Dies ist für den Kanton eine grosse Herausforderung.»
Wird die Schweiz den Ansturm meistern?
Die Herausforderungen sieht auch das SEM. «Neben den Gesuchen aus der Ukraine haben wir auch die ‹normalen› Asylgesuche.» Rieder ist jedoch optimistisch, dass die Schweiz den Ansturm meistern wird.
«Die Schweiz konnte in den letzten Jahren viel Erfahrung mit solchen Situationen sammeln und man ist vertraut damit. Wir konnten das Asylsystem tauglich machen für gewisse Schwankungen.» Zudem werde es nicht einen einzigen Peak geben: «Die Zahlen werden sukzessive und kontinuierlich während der nächsten Wochen und Monate zunehmen.»
Eine Schätzung, wie viele Menschen auf den Winter hin in die Schweiz kommen werden, mag Walter von der Flüchtlingshilfe nicht abgeben. «Es hängt vor allem davon ab, wie der Krieg weiterläuft. Aber Kantone und Gemeinden, die für die Unterbringung zuständig sind, müssen sich auf verschiedene Szenarien vorbereiten. Die Flüchtlingshilfe sei vorbereitet.