Nachrichtenagenturen berichten von mehreren Explosionen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Stadtpräsident Vitali Klitschko schrieb auf Telegram, das Stadtzentrum sei betroffen. Christian Wehrschütz vom ORF hat die Ukraine seit Kriegsausbruch mehrfach bereist und verfolgt die Geschehnisse genau. Für ihn ist klar: Der Kreml reagiert mit der massiven Attacke auf den Beschuss der Krim-Brücke vom Wochenende.
SRF News: Was ist bis jetzt bekannt?
Christian Wehrschütz: Wir als ORF hatten ausserordentliches Glück: Unser Büro ist in der Nachbarschaft des Präsidentenpalasts, der sich natürlich ebenfalls im Stadtzentrum befindet. Nur wenige Hundert Meter entfernt beim Maidan sind Drohnenangriffe eingeschlagen. Meine Mitarbeitenden können derzeit nicht ins Büro zurück.
Die Angriffe haben das Zentrum selbst getroffen, mit massiven Einschlägen. Auf Handyvideos ist zu sehen, wie nur 100, 150 Meter entfernt vom Maidan Rauchsäulen aufsteigen.
Könnte das eine Reaktion auf die Attacke der Krim-Brücke vom Wochenende sein?
Das ist ganz klar die Reaktion darauf. Putin und seine engen Mitarbeiter haben angekündigt, dass es Vergeltung geben wird. Die Russen wollen zeigen, dass sie nach wie vor in der Lage sind, das Zentrum oder weiche Ziele massiv zu beschiessen. Aber nicht nur in Kiew, sondern im ganzen Land gibt es permanenten Fliegeralarm.
In den vergangenen Monaten war es eher ruhig in der Hauptstadt. Ist nun damit zu rechnen, dass es auch weg von der Front, eben in Kiew beispielsweise, wieder regelmässig gefährlich wird?
Der Beschuss von Kiew wird dazu führen, dass viele Menschen, die zurückgekehrt sind, die Stadt wieder verlassen. Aber der Beschuss von Zivilgebäuden im Zentrum von Kiew ändert nichts an der Frontlinie.
Ich gehe davon aus, dass dies nun die direkte Antwort auf den Beschuss der Krim-Brücke war. Daneben wird die russische Führung wohl stärker bestrebt sein, Ziele der kritischen Infrastruktur massiv zu beschiessen. So etwa Kraftwerke, Umspannwerke, Bahnhöfe und Eisenbahnverbindungen – also alles, was zur Kriegführung gebraucht wird.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.