Das will die Umfrage: Wie tolerant sind Schweizerinnen und Schweizer gegenüber homosexuellen Menschen und Menschen, die eine non-binäre oder trans Identität haben? Das wollten verschiedene Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty International, wissen. Im Auftrag dieser Organisationen hat das Forschungsinstitut GFS Bern eine repräsentative Umfrage in der Schweizer Bevölkerung durchgeführt.
Lesben und Schwule sind akzeptiert: Die Umfrage kommt zum Schluss, dass die Bevölkerung im Allgemeinen gegenüber Themen und Anliegen der LGBTIQ+-Gemeinschaft grundsätzlich offen sei. 70 Prozent der Befragten geben an, es sei ein Menschenrecht, die eigene sexuelle Orientierung leben zu dürfen. Eine knappe Mehrheit findet, Schwule und Lesben, die in ihrem Heimatland verfolgt werden, sollen in der Schweiz Asyl erhalten.
Schweizerinnen und Schweizer zeigen sich ambivalent: Das Bild der toleranten Schweizerinnen und Schweizer bekommt aber Risse. Wenn gleichgeschlechtliche Paare privat eine Beziehung eingehen, dann akzeptieren dies Einwohnerinnen und Einwohner in der Schweiz. Hingegen bekunden 49 Prozent Mühe damit, wenn sich zwei Männer in der Öffentlichkeit küssen. Fast zwei Drittel der Bevölkerung findet, LGBTIQ+-Personen bekämen zu viel Beachtung in der Öffentlichkeit. Wenn non-binäre oder trans Personen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität mehr Rechte einfordern – und das vielleicht noch laut, bunt und fordernd –, dann schwindet die Akzeptanz.
Weniger Akzeptanz gegenüber trans oder non-binären Menschen: Eine deutliche Mehrheit befürwortet die rechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Hingegen befürwortet nur etwa ein Drittel die Gleichstellung von trans oder non-binären Menschen. In den Medien viel diskutiert ist die Forderung nach geschlechtsneutralen Toiletten und Umkleidekabinen. Eine knappe Mehrheit lehnt diese jedoch ab.
Haltung unterscheidet sich stark: Die Studienautorinnen und -Autoren kommen zum Schluss, dass vor allem ältere, religiöse und politisch rechts stehende Männer tendenziell «problematischere» Haltungen gegenüber LGBTIQ+-Personen zeigen. Junge, nicht-religiöse Frauen seien hingegen am offensten gegenüber dieser Minderheiten. Dies gilt auch für Personen, die sich politisch links einordnen.
Angst vor Bedrohung und Beschimpfung: In einer zweiten (nicht repräsentativen) Befragung hat GFS Bern die LGBTIQ+-Gemeinschaft nach ihren Erfahrungen befragt. Die Hälfte der Befragten gab an, in den letzten zwölf Monaten beschimpft oder beleidigt worden zu sein. Jede vierte Person wurde in den letzten fünf Jahren Opfer eines körperlichen oder sexuellen Übergriffes.
Selbstschutz durch Zurückhaltung: Eine grosse Mehrheit der LGBTIQ+-Gemeinschaft vermeidet zumindest ab und zu, bestimmte Orte und Plätze aufzusuchen. Dies aus Angst vor Gewalt oder Beschimpfung. Zudem wird das Offenlegen der eigenen Identität und Sexualität bewusst gesteuert. Je vertrauter eine Beziehung (Freunde, Familie), desto offener wird über die eigene Identität gesprochen. Je distanzierter eine Beziehung, desto mehr hält man sich zurück (Arbeitsplatz, Schule, Nachbarschaft). Am häufigsten vermeidet man das Zeigen der eigenen Identität in Strassen, Parks und im öffentlichen Verkehr.