Die Zahl der Zwangseinweisungen von Menschen in die Psychiatrie ist in der Schweiz vergleichsweise hoch. Rund ein Fünftel aller Psychiatriepatienten sind gegen ihren Willen in einer Klinik, wie offizielle Zahlen zeigen.
Eine Zwangseinweisung traumatisiere viele Betroffene, stellt die Stiftung Pro Mente Sana fest, die sich für das Wohl von psychisch Kranken einsetzt. Einen speziellen Weg in dieser Sache geht der Kanton Tessin: Wird dort jemand am Mittwochabend zwangseingeliefert, bekommt sie oder er am Donnerstag Besuch von Maria Giorgis.
Eine aussenstehende Ansprechperson
Seit 16 Jahren arbeitet die Sozialarbeiterin für die Stiftung Pro Mente Sana in der psychiatrischen Klinik in Mendrisio. «Stellen Sie sich vor: Sie werden gegen Ihren Willen eingeliefert, die Stimmung ist sehr angespannt. Alles macht Angst, Sie fühlen sich alleine gelassen», beschreibt Giorgis die Situation des Betroffenen. «Wenn ich als Aussenstehende mit Ihnen spreche, fühlen Sie sich ernst genommen – das hilft schon mal.»
Die Repräsentantin von Pro Mente Sana setzt sich gegenüber der Ärzteschaft und den Pflegenden auch für das Wohl der Patienten ein. Klage einer zum Beispiel über starke Nebenwirkungen der Psychopharmaka, sorge sie dafür, dass er andere Medikamente erhalte.
Die Sozialarbeiterin sei eine Mediationsfigur, die Beruhigung bringe, sagen die Pflegeverantwortlichen. Alle sind sich einig, dass ihre Präsenz vor Ort zu einschneidenden Veränderungen geführt hat.
Fesseln ans Bett gibt's nicht mehr
In Mendrisio seien Patienten früher ans Bett gefesselt worden, wenn die Pfleger nicht mehr weiter wussten, so Giorgis. Doch sie habe bewirken können, dass das nicht mehr gemacht werde. «Seit fünf Jahren wird hier in dieser Psychiatrischen Klinik kein Mensch mehr ans Bett gebunden.» Anstelle der Fixierbänder kommen heute spezielle Pflegeteams zum Zug, die so lange bei den aufgewühlten Menschen bleiben, bis sich diese beruhigen.
Fixierungen ans Bett als Teil von Zwangsmassnahmen in einer Psychiatrischen Klinik sind immer wieder ein Grund für Kritik, unter anderem auch von der Anti-Folterkommission des Bundes. Doch Sozialhelferin Maria Giorgis ist überzeugt, dass es immer eine Alternative gibt – auch wenn nichts mehr möglich scheint. «Vorausgesetzt man hat etwas Distanz.» Genau das ist ihre Aufgabe von Gesetzes wegen: eine unabhängige Instanz vor Ort zu sein.