Sie flüchteten, als in ihrem Land der Krieg ausbrach. Am Anfang hofften sie noch, dass dieser Krieg rasch vorbei sein würde und sie bald wieder in die Ukraine zurückkehren könnten. Doch diese Hoffnung hat sich längst zerschlagen. Auch beim zuständigen Bundesrat Beat Jans: Wie können die Flüchtlinge aus der Ukraine in der Schweiz möglichst gut integriert werden, ohne ihre Rückkehr zu erschweren, wenn der Krieg einmal vorbei sein sollte? Mit dieser Frage beschäftigt sich der zuständige Bundesrat, wie er am Innenministertreffen in Basel diese Woche sagte.
Dabei verwies er auf ein neues Modell, das die österreichischen Minister beschlossen hätten. In Österreich sollen der vorübergehende Schutzstatus von Ukraine-Flüchtlingen, wenn dieser nächsten Frühling ausläuft, in einen Aufenthaltsstatus umgewandelt werden – unter drei Bedingungen:
- Die Flüchtlinge müssen arbeiten.
- Sie müssen damit ihre Familie ernähren können.
- Sie müssen die Landessprache sprechen.
Ziel sei vor allem, dass noch mehr Ukraine-Flüchtlinge arbeiteten, erklärt der österreichische Innenminister Gerhard Karner in Basel. «Es geht darum, Menschen, die bereit sind, hier für die Gesellschaft einen Beitrag zu leisten, auch die Perspektive zu geben, bleiben zu können. Es ist auf der anderen Seite auch wichtig für Betriebe, die Ukrainerinnen beschäftigt haben.»
Modell Österreich für Jans mehr als interessant
Ein längerfristiges Aufenthaltsrecht biete den Flüchtlingen und der Wirtschaft mehr Verlässlichkeit und so soll die Quote der Flüchtlinge, die arbeiten, erhöht werden können. Jans nannte in Basel die Idee «interessant».
Recherchen der Tagesschau zeigen jetzt: Der Justizminister findet diese Idee weit mehr als interessant. Er steht kurz davor, ein Modell nach dem Vorbild Österreichs auch in der Schweiz zu lancieren. Profitieren würden davon auch in der Schweiz nicht alle der 65'000 Ukraine-Flüchtlinge mit Schutzstatus S, sondern nur jene, die auch arbeiten. Das sind heute gut 9000 Personen oder knapp ein Viertel der erwachsenen Flüchtlinge.
Regimewechsel ist politisch umstritten
Politisch ist ein solches Modell sehr umstritten, wie erste Reaktionen zeigen. «Das scheint mir kein Modell für die Schweiz. Denn damit stellen wir unseren heutigen Ansatz auf den Kopf. Wir gewähren vielen Ukrainerinnen und Ukrainern Schutz, sie dürfen bei uns sein, zur Schule gehen, arbeiten, aber immer mit der Idee, zurückzugehen», sagt Ständerat Andrea Caroni FDP/AR und Mitglied der zuständigen Kommission. Mit einem solchen Modell würde man die Flüchtlinge quasi einladen, zu kommen und zu bleiben.
Die Zürcher GLP-Nationalrätin Corina Gredig, die vor kurzem einen Vorstoss eingereicht hat, der ein ähnliches Modell fordert, begrüsst die Pläne von Beat Jans. «Die Wirtschaft findet keine Leute mehr für ganz viele Jobs. Gleichzeitig gibt es Menschen, die gerne arbeiten möchten. Deshalb ist das doch für einmal eine Win-win-Situation, dass man diesen Menschen, die etwas leisten wollen, die Möglichkeit gibt, hier zu bleiben.» Zudem werde damit das Budget des Bundes beim grossen Ausgabeposten Schutzstatus S entlastet.
Und so zeigt sich, noch bevor Bundesrat Jans die Idee richtig lanciert hat: Einfach wird es für ihn diesmal nicht werden.