Die eidgenössischen Räte haben das Gesetz zur Umsetzung der Zuwanderungs-Initiative genehmigt. Die nächsten Schritte sind bereits gemacht. Die Ausweitung der Personenfreizügigkeit mit Kroatien ist ratifiziert und damit die Forschungszusammenarbeit mit der EU gesichert. Innenpolitisch steht die Schweiz aber beim Thema Zuwanderungssteuerung wieder am Ausgangspunkt wie vor drei Jahren, fasst SRF-Bundeshausredaktor Philipp Burkhardt zusammen.
SRF News: Was sind jetzt die nächsten Schritte im Dossier Europäische Union?
Philipp Burkhardt: Heute hat der Bundesrat der EU mitgeteilt, dass er mit seiner Unterschrift das Protokoll zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien ratifiziert. Das war eine Bedingung, damit die Schweiz wieder beim laufenden Forschungsrahmenprogramm der EU «Horizon 2020» mitmachen kann.
Nach der Ratifizierung durch den Bundesrat ist die Schweiz ab sofort automatisch wieder als Vollmitglied bei «Horizon 2020» dabei.
Noch kurz nach der Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative im Februar 2014 hat der Bundesrat verlauten lassen, man könne keine Unterschrift unter das Abkommen mit Kroatien setzen. Weshalb war das jetzt trotzdem möglich?
Die Verfassung untersagt eigentlich den Abschluss neuer Verträge mit der EU, die dem Artikel über die Masseneinwanderung widersprechen. Das ist mit dem Kroatien-Abkommen eindeutig der Fall.
Der Bundesrat hat abenteuerliche Volten geschlagen in den letzten Monaten.
Allerdings ist der Bundesrat dann plötzlich von dieser Haltung abgewichen, mit dem Argument, man führe ja Gespräche mit der EU, um eine Lösung zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative zu finden.
Das Parlament hat dem Bundesrat dann zusätzlich eine klare Bedingung ins Heft geschrieben: Er dürfe das Protokoll nur ratifizieren, wenn mit der EU eine Regelung zur Steuerung der Zuwanderung besteht, die «mit der schweizerischen Rechtsordnung vereinbar» ist.
Aber es besteht keine solche Regelung. Die Ratifizierung des Kroatien-Protokolls ist also juristisch äusserst fragwürdig.
Was das Parlament beschlossen hat, ist mit unserer Rechtsordnung ganz klar nicht vereinbar.
Kroatien wäre dann unter Dach und Fach, das Forschungsabkommen «Horizon 2020» auch. Ist damit wieder eitel Sonnenschein zwischen der Schweiz und der EU?
Die nächsten Wolken sind schon am Horizont sichtbar, und es sind schwarze. Die EU macht weiter Druck. Sie sagt: Es gibt in Zukunft keine weiteren bilateralen Abkommen mehr, wenn die Schweiz nicht ein institutionelles Rahmenabkommen unterzeichnet.
Das aber heisst, dasss unser Land künftiges EU-Recht übernehmen müsste und in Streitfällen der Europäische Gerichtshof entscheiden würde.
Kritiker sprechen da von «fremden Richtern». Dass ein solches Abkommen beim Schweizer Volk in einer Abstimmung durchkommt, scheint mir nach den jüngsten Ereignissen praktisch ausgeschlossen.
Und was ist mit dem Artikel über die Masseneinwanderung in der Bundesverfassung? Bleibt der nun einfach toter Buchstabe?
Wenn es nach dem Bundesrat geht, dann soll dieser Zustand nicht anhalten. Hängig ist immer noch die sogenannte Rasa-Initiative, die den Artikel wieder aus der Verfassung streichen möchte. Der Bundesrat möchte einen Gegenvorschlag dazu formulieren, der zumindest eine Anpassung des Verfassungsartikels vorsieht.
Würde das Schweizer Volk zur Rasa-Initiative wie auch zum Gegenvorschlag Nein sagen, dann müsste die Masseneinwanderungsinitiative doch noch wortgetreu umgesetzt werden.
Ausserdem kündigten sowohl die SVP wie auch die Auns eine Initiative zur Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU an. Das Thema dürfte uns in nächster Zeit also erhalten bleiben.
Auslöser des Ganzen war ja eigentlich der Auftrag einer knappen Volksmehrheit, die Zuwanderung in die Schweiz zu steuern. Wo stehen wir da am heutigen Tag?
Eigentlich praktisch wieder bei null. Die vom Parlament heute beschlossene Lösung wird die Zuwanderung, wenn überhaupt, nicht in grossen Umfang reduzieren. Dieses Jahr beträgt die Nettozuwanderung in die Schweiz um die 60'000 Menschen. Das entspricht der Bevölkerung der Stadt Luzern.
Zurzeit leben in der Schweiz über acht Millionen Menschen. Die Lebenserwartung eines Durchschnittschweizers dürfte in ein paar Jahren gegen 90 Jahre erreichen. Rein rechnerisch heisst das: Kinder, die in diesen Tagen auf die Welt kommen, werden im Alter – wenn die Zuwanderung in diesem Stil weitergeht – in einer Schweiz leben, die 13,5 Millionen Menschen zählt.