Die Strassen der Stadt Biel sind zu Stosszeiten verstopft. Zum Binnenverkehr kommen viele Pendlerinnen und Pendler aus der Agglomeration und Automobilisten auf der Durchfahrt dazu. Deshalb will die zweitgrösste Stadt des Kantons Bern versuchsweise Mobility Pricing einführen.
Biels Stadtpräsident Erich Fehr zeigt sich stolz und ist überzeugt, dass in drei bis fünf Jahren ein Pilotversuch starten kann. Auch Genf und Frauenfeld sind derzeit daran, Mobility-Pricing-Studien zu machen.
VCS: Es braucht ein Road Pricing
Beim Verkehrsclub der Schweiz VCS ist man von diesen Projekten wenig begeistert. Laut VCS-Präsident Ruedi Blumer hat der ÖV seine Hausaufgaben längst gemacht. Da werde mit preislichen Anreizen bereits versucht, die Fahrgäste von Stosszeiten abzuhalten – mit Spartickets und anderen Vergünstigungen. Beim Auto hingegen sei bisher kein einziger Fortschritt erzielt worden: «Deshalb braucht es nicht ein Mobility Pricing, sondern ein Road Pricing.»
Zugleich seien kaum Kantone und Städte zu finden, die zu Versuchen bereit wären, sagt Blumer: «Solange das nicht funktioniert, bleibt es eben ein Rohrkrepierer.» Er verweist auf die Städte Zürich und Bern, welche sich nicht an Projektstudien beteiligen, weil sie auch den ÖV miteinbeziehen müssten. Dies ist aber die Voraussetzung dafür, dass der Bundesrat die Projekte bewilligt. Man will keine einseitige Belastung des Autoverkehrs.
Beim Auto wurde bisher kein einziger Fortschritt erzielt.
Trotzdem sind auch die Automobilverbände ACS und TCS skeptisch. Der ACS verlangt eine klare zeitliche Begrenzung der Pilotprojekte und lehnt Lenkungsabgaben während der Stosszeiten ab. Der TCS ist der Meinung, dass Verkehrsspitzen besser durch eine Flexibilisierung der Büro- und Schulzeiten gebrochen werden könnten.
Suche nach neuer Verkehrsfinanzierung
Mobilitätsforscher Thomas Sauter-Servaes weist darauf hin, dass der Verkehr künftig ohnehin neu finanziert werden müsse. Denn mit dem Ende des Verbrennungsmotors fallen die Einnahmen aus der Mineralölsteuer weg: «Man muss also auf jeden Fall über einen neuen Mechanismus nachdenken, wie in Zukunft die Infrastruktur finanziert werden soll.»
Damit werde aber auch das Autofahren teurer, unterstreicht der Experte der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften. Heute zahle der Individualverkehr nicht die vollen Kosten, die er verursache. Damit würden falsche Preissignale gesetzt.
Er fordert deshalb ein generelles Mobility Pricing in der ganzen Schweiz – nicht nur in den Städten: «Technisch ist das schon heute kein Problem, doch zuerst muss man die Akzeptanz des Autofahrers für eine solche Mobilitätsgebühr schaffen.»
Die Herausforderungen an die Verkehrslenkung bleiben unabhängig von Antriebs- und Besteuerungssystemen bestehen. Deshalb macht Mobility Pricing auf jeden Fall Sinn.
Eine hohe Hürde. Doch Biels Stadtpräsident Fehr bleibt optimistisch. Das brauche seine Zeit in der Schweiz. Doch die Herausforderungen an die Verkehrslenkung blieben unabhängig von Antriebs- und Besteuerungssystemen bestehen. Deshalb mache Mobility Pricing auf jeden Fall Sinn.
Bis Ende Jahr haben Biel und die anderen Städte Zeit, ihre Machbarkeitsstudien beim Bund einzureichen. Erst dann wird entschieden, ob überhaupt ein Versuch mit Mobility Pricing gemacht wird.