Der Basler Historiker Daniele Ganser polarisiert. Seine Auftritte sorgen regelmässig für Diskussionen. Dies ist auch in Basel der Fall, wo Ganser diese Woche ein Referat zum Krieg in der Ukraine hält. «Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen?» lautet der Titel seines Vortrags.
Ganser unterstellt den USA und dem Westen eine Mitschuld am Ukraine-Krieg. Russland sei durch die NATO-Osterweiterung provoziert worden und die Maidan-Proteste von 2013/2014 zum Beispiel seien durch «amerikanische Akteure» eingefädelt worden.
Solange sich solche Veranstaltungen im rechtlichen Rahmen bewegen, sehen wir davon ab, Inhalte zu bewerten oder zu kommentieren.
Während in Deutschland aufgrund dieser Thesen kontrovers über Auftrittsverbote diskutiert wurde, können die Vorträge Gansers in Basel ohne Auflagen stattfinden. «Solange sich solche Veranstaltungen im rechtlichen Rahmen bewegen, sehen wir davon ab, Inhalte zu bewerten oder zu kommentieren», sagt Baschi Dürr, Präsident der Basler Casino-Gesellschaft, der Betreiberin des Stadtcasinos, wo Ganser diese Woche auftritt.
Veranstalter ist Thomas Dürr von der Firma Act Entertainment. Er verteidigt die Einladung des umstrittenen Historikers und selbsternannten «Friedensforschers»: «Wir leben in einer freien Gesellschaft, wo jeder seine Meinung haben darf.»
Unwidersprochen sollen Gansers Worte in Basel dennoch nicht bleiben. Forschende der Universität Basel laden nämlich diese Woche zu einer Art Gegenveranstaltung ein. Mitorganisator ist Frithjof Benjamin Schenk, Professor für osteuropäische Geschichte an der Uni Basel.
Schenk betont, dass Ganser auf diesem Gebiet nie geforscht habe und sich nun als Experte zum Thema Ukraine-Krieg inszeniere. «Ganser verbreitet Erzählungen, die sehr eng sind an dem, was die russische Kriegspropaganda in der westlichen Öffentlichkeit verbreitet», sagt Schenk.
An der Veranstaltung der Uni Basel unter dem Titel «Wahrheiten, Halbwahrheiten und Lügen» sollen die Hintergründe des Kriegs und das Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine aufgezeigt werden, und zwar aus Sicht von Osteuropa-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern, die sich täglich mit dem Thema auseinandersetzen. Und: «Was uns auch interessiert ist, warum sind eigentlich solche alternativen Erzählungen, wie sie zum Beispiel Daniele Ganser verbreitet, in der Gesellschaft so populär?»
Aber warum organisiert die Uni Basel eine solche Gegenveranstaltung? Schenk betont, die Universität habe einen Bildungsauftrag, deshalb sei es wichtig, dass sie eine solche Veranstaltung anbiete. Und er geht noch weiter: «Wir sind als Zivilgesellschaft aufgerufen, unsere Stimme zu erheben.»
Wir sind als Zivilgesellschaft aufgerufen, unsere Stimme zu erheben.
Derweil plant auch der Ukrainische Verein der Schweiz einen Protest vor dem Basler Stadtcasino rund um die Vortragsabende. «Wir werden friedlich vor dem Stadtcasino mit den Besuchenden das Gespräch suchen», sagt Marc Lindt, Vorstandsmitglied des Vereins gegenüber der Zeitung «bz basel». Von einem Auftrittsverbot hält Lindt indes wenig: «Solche Leute zu canceln bringt nichts, ja ist möglicherweise gar kontraproduktiv.»
Solche Leute zu canceln bringt nichts, ja ist möglicherweise gar kontraproduktiv.
Daniele Ganser selbst war für eine Stellungnahme zur Debatte rund um seinen Auftritt in Basel nicht erreichbar. Die ganze Diskussion rund um ein mögliches Auftrittsverbot in Basel scheint ihm kaum geschadet zu haben. Nachdem alle Plätze für den ersten Vortragsabend ausverkauft waren, gab der Veranstalter bekannt, dass es noch eine weitere Veranstaltung in Basel gibt.