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Unabhängigkeit der Bildung Das Problem mit privaten Geldgebern in der Forschung

Die Autolobby zahlt der Uni St. Gallen einen Lehrstuhl. Der Bund will ab 2026 Forschungsgelder kürzen. Kommt das gut?

Ende Januar wurde bekannt, dass die Autolobby künftig an der Universität St. Gallen einen Lehrstuhl für Mobilitätsforschung mitbezahlt. Insgesamt 2.68 Millionen Franken steckt Auto Schweiz, eine Vereinigung von Schweizer Automobil-Importeuren, während acht Jahren in das neue Institut an der HSG. Weitere Sponsoren sind Porsche, BMW und Toyota. Der Direktor des Instituts sieht die Unabhängigkeit der Forschung nicht gefährdet.

Hinzu kommt, dass der Bund ab nächstem Jahr Gelder an den Hochschulen und Universitäten kürzen will. Dies, um die steigenden Kosten für die Armee oder die 13. AHV stemmen zu können. Es geht um insgesamt 460 Millionen Franken pro Jahr. Davon betroffen ist auch die Forschung.

Abhängig von Privaten

Laut dem Bundesamt vor Statistik erhielt die HSG im Jahr 2023 rund 13.5 Millionen Franken von Privaten für ihre Forschung. Hinzu kommen Gelder aus Stiftungen. Demnach stammen aktuell rund acht Prozent der Gelder der Universitäten aus Stiftungen oder sind private Forschungsmandate.

Andreas Brenner, Professor für Philosophie, Globalisierung und Wirtschaftsethik an der Universität Basel, stellt sich seit Jahren öffentlich gegen privat finanzierte Lehrstühle. Bildung sei eine Aufgabe des Staates und sollte nicht Privaten überlassen werden, ist er überzeugt.

Wenn nun der Bund auch noch den Geldhahn zudreht, erhöhe dieser den Druck, dass die Universitäten sich private Gelder im grossen Stil besorge. «Dort, wo das einmal gelingt, zieht sich der Staat weiter zurück und treibt die Universitäten und Hochschulen weiter in die Abhängigkeit der privaten Geldgeber», sagt Brenner.

Ein Vergleich mit dem US-System

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Studierende denken in einem Vorlesungssaal nach.
Legende: Studierende an einer Vorlesung an der Uni St. Gallen. KEYSTONE/Ennio Leanza

Über die Hälfte der Hochschulen in den USA sind privat finanziert. Würde dieses Modell auch für die Schweiz funktionieren?

Andreas Brenner: Man hört immer wieder, dass das ein Erfolgsmodell sei. Dort sind unbestrittenermassen eine Handvoll hocherfolgreicher Universitäten. Wenn man den Erfolg einer Universität messen will, ist das gar nicht so einfach. Aber was man dann gerne erwähnt, sind die Nobelpreise und da sind die US-Universitäten in der Tat führend. Aber das ist nur ein kleiner Kreis von Unis, die so erfolgreich sind. Die Mehrheit der Universitäten in den USA sind auf ganz bescheidenem Niveau angesiedelt. Man kann argumentieren, dass das mit der Förderpraxis der Privaten zu tun hat. Denn immer da, wo privates Geld hereinkommt, kommt mehr Geld hin. Geld zieht Geld an – und kreative, innovative Forschende, die dann andere Universitäten verlassen und dort das Niveau sinkt. Die Bundesstaaten spielen dann die anderen Universitäten damit aus und sagen: Macht es doch auch so wie beispielsweise Harvard.

Aber man könnte ja sagen: Es funktioniert.

Es funktioniert im Bereich der absoluten Spitzenforschung. Aber der Staat ist nicht gehalten, absolute Spitzenforschung oder Spitzenausbildung zu garantieren. Er ist gehalten, gute Ausbildung zu ermöglichen. Und das leistet der Staat in der Schweiz. Die Sorge ist, dass er das immer weniger leistet, wenn er sich auf einige Leuchttürme fokussiert – also einigen Hochschulen nahelegt, private Gelder zu generieren und sich in der Folge aber insgesamt aus der Finanzierung der Bildungseinrichtungen zurückzieht.

Das Interview führte Tobias Bossard.

Christoph Regli ist Studiengangleiter in der Aviatikforschung an der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur. Er sagt: Ohne die Gelder externer Partnerschaften gehe es nicht. «Gerade bei den Fachhochschulen ist das ein hoher Betrag, den wir haben müssen, damit man die Forschung finanzieren und weiterbetreiben können.»

Bei über 80 Prozent der Forschungsprojekte im Bereich Engineering an der ZHAW werde mit privaten Unternehmen zusammengearbeitet – in der Aviatik unter anderem mit Swiss oder dem Schweizer Flugzeughersteller Pilatus.

Dann werden wir weitere Partner im In- und Ausland suchen und andere Finanzierungsmöglichkeiten abklappern.
Autor: Christoph Regli Aviatik-Studiengangleiter an der ZHAW

Regli sieht dadurch die Unabhängigkeit seiner Forschung nicht bedroht, räumt aber ein: «Wenn es ein Resultatinteresse des Partners gibt, wird man das erfüllen müssen. Wir versuchen aber auch, dieses weiterzuentwickeln, damit allenfalls etwas allgemein Brauchbares entsteht», so Regli.

Geldhahn zu, Partnersuche an

Dass der Bund nun im Bereich Bildung, Forschung und Innovation sparen will, trifft wohl auch den Studiengang von Regli. «Der Bund ist eine wichtige Einnahmequelle, die wir brauchen, um unsere Forschung weiterzuentwickeln.» Wenn es eine neue Ausgangslage gebe, müsse man beispielsweise weitere Partner im In- und Ausland suchen.

Genau das sieht Philosophie-Professor Andreas Brenner kritisch: «Wer als Privater Geld gibt, der erwartet etwas dafür.» Die grossen Geldgeber seien keine karitativen oder philantropischen Spender. Sie legten ihr Geld eigentlich an, sagt Professor Brenner. «Damit kommt zumindest potenziell eine Gegenleistung in die Forschung hinein. Und das sollte unbedingt vermieden werden.»

Heute Morgen, 12.02.2025, 06:00 Uhr ; 

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