- Der Aargauer Regierungsrat rügt den leitenden Oberstaatsanwalt Philipp Umbricht mit einem Verweis.
- Hintergrund ist eine Gerichtsverhandlung im Juni 2023, die ohne Staatsanwaltschaft stattgefunden hat.
- Obwohl Umbricht selbst nicht direkt für die Verhandlung zuständig war, macht die Regierung ihn für das Fernbleiben verantwortlich.
- Sie bezeichnet sein Verhalten als eine Verletzung der Sorgfalts- und Treuepflicht.
Am 9. Juni 2023 blieb eine Staatsanwältin einer Verhandlung am Aargauer Obergericht unentschuldigt fern. Es ist der Anfang einer Geschichte, die juristische, rechtliche und nun auch personalrechtliche Konsequenzen nach sich zieht.
Absenz führte zu milderem Urteil
Rückblick: Der 9. Juni 2023 war in gewissen Aargauer Gemeinden ein Brückentag. Nämlich überall dort, wo der Fronleichnam als Feiertag gilt. Darum hatte von der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau wohl niemand Lust, an jenem Freitag zum Prozess zu erscheinen.
Den Antrag der Staatsanwaltschaft, den Gerichtstermin zu verschieben, lehnte das Obergericht ab. Gleichzeitig machte das Gericht die Staatsanwältin auf die Erscheinungspflicht aufmerksam und, dass ein Fernbleiben als unentschuldigte Absenz gelten würde.
Doch die Warnung nützte nichts. Die Verhandlung an jenem Freitag fand ohne Staatsanwaltschaft statt. Das Gericht sah die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft wegen der Absenz als zurückgezogen an. Das führte zunächst einmal zu einem milderen Urteil gegen einen Sexualstraftäter.
Das Obergericht büsste die zuständige Staatsanwältin. Die Staatsanwaltschaft wehrte sich gegen die Busse und auch dagegen, dass das Obergericht die Berufung als zurückgezogen erachtete. Der Fall kam vor das Bundesgericht. Dieses befand die Busse als bundesrechtswidrig. In Sachen Rückzug der Berufung folgte es jedoch der Meinung des Obergerichts.
Oberstaatsanwalt handelte nachlässig
Jetzt hat der Fall auch für den leitenden Aargauer Oberstaatsanwalt Philipp Umbricht Konsequenzen. Denn, nachdem die zuständige Staatsanwältin kurz vor dem Prozess im Juni 2023 nicht erreichbar war, kommunizierte das Obergericht mit Umbricht. Damit wäre er laut Regierungsrat in der Pflicht gewesen, sich darum zu kümmern, dass die Staatsanwaltschaft bei der Verhandlung präsent sei.
Nach einer Untersuchung rügt ihn nun der Regierungsrat mit einem Verweis. «Die Untersuchung hat ergeben, dass das Verhalten des leitenden Oberstaatsanwalts eine nicht hinzunehmende Dienstpflichtverletzung darstellt», erklärt die Regierungsratssprecherin Paloma Meier-Martino.
Das ist keine Bagatelle.
Damit habe Umbricht seine Sorgfalts- und Treuepflicht verletzt. Weiter betont Meier-Martino: «Das ist keine Bagatelle, sondern hat eine disziplinarrechtliche Relevanz.»
Der Verweis wird in der Personalakte von Philipp Umbricht vermerkt. «Für mich ist das Disziplinarverfahren mit diesem Entscheid abgeschlossen und ich nehme diesen Entscheid zur Kenntnis», sagt Umbricht. Weiter will er sich zu dem Fall nicht äussern.