Zwischen 10 und 20 Fussgängerinnen und Fussgänger sterben jedes Jahr auf Schweizer Zebrastreifen. 16 Menschen von insgesamt 36 getöteten Fussgängerinnen und Fussgängern im Strassenverkehr waren es im Jahr 2020.
Laut Markus Hackenfort, Professor für Verkehrs-, Sicherheits- & Umweltpsychologie, ist ein Grund für die vielen Unfälle: Wer einen Zebrastreifen quert, wiegt sich oft in falscher Sicherheit.
SRF News: Was ist die Krux der Zebrastreifen?
Markus Hackenfort: Fussgängerstreifen kann man ein bisschen betrachten wie ein wildes Tier. Aus Sicht von Fussgängerinnen und Fussgängern erscheinen sie sicher, auf der anderen Seite sind sie aber tatsächlich relativ gefährlich. Wir haben eine relativ hohe Anzahl an Unfällen auf Fussgängerstreifen. Sie strahlen unter Umständen eine Sicherheit auf zu Fuss Gehende aus, die nicht da ist.
Was ist da die Lösung aus verkehrspsychologischer Sicht?
Neben der technischen Verbesserung bleibt insbesondere für mich persönlich: Wenn ich einen Fussgängerstreifen nutze, rechne ich einfach ständig damit, dass Autofahrende nicht anhalten könnten. Weil die mich nicht gesehen haben oder weil die denken, das passt gerade noch. Für mich wäre aus Präventionssicht für den ersten Schritt das wichtigste, dass man einen Fussgängerstreifen aus Fussgänger- und Fussgängerinnen-Sicht als gefährlich und nicht als sichere Querung wahrnimmt.
Was geht denn im Kopf von Autofahrenden vor, wenn sie auf einen Zebrastreifen fahren und da wartet jemand? Oder auch, wenn sie vielleicht noch niemanden sehen?
Aus Autofahrerinnen- und Autofahrersicht spielt es eine grosse Rolle, ob ich Personen an der Stelle erwarte. Insbesondere, wenn es dunkel ist. Jetzt, zu dieser Jahreszeit, kommt es stark darauf an, ob ich bereits eine Erfahrung mit dem Fussgängerstreifen gemacht habe. Die Erfahrung beispielsweise, dass da viele Leute queren könnten oder auch tatsächlich queren – oder dass da nur selten jemand kommt.
Wenn ich den Eindruck habe, da kommt nie jemand, besteht eine sehr grosse Gefahr, dass ich eine Person übersehen könnte.
Wenn ich natürlich den Eindruck habe, da kommt nie jemand, und dann sehe ich gerade auch niemanden, weil es dunkel ist, weil es regnet oder auch, weil ich vielleicht gerade unaufmerksam bin, dann besteht eine sehr grosse Gefahr, dass ich diese Person übersehen könnte, die da gerade queren möchte.
Wenn es zum Unfall kommt, was kann denn da eine Rolle spielen?
Auf der einen Seite kann es natürlich sein, dass wir zu Fuss Gehende haben, die ihr bestehendes Vortrittsrecht nutzen und das möglicherweise auch vehement nutzen. Auf der anderen Seite kann es durchaus sein, dass wir Autofahrerinnen und Autofahrer haben, die genau in dem Moment unaufmerksam waren und die vielleicht genau in dem Moment auch die zu Fuss gehende Person nicht wahrgenommen haben – aufgrund von Dunkelheit, Regen oder anderen Lichtern. Das ist eine ungünstige Kombination, die zu Kollisionen führen kann. «»
Wie kann man dieses Konfliktfeld entschärfen?
Auf der einen Seite bleiben, glaube ich, insbesondere technische Rahmenbedingungen, dass man zu Fuss Gehende sichtbarer macht, schon in der Annäherungsphase. Sicherlich muss man auch darüber nachdenken, Autofahrende dafür zu sensibilisieren, dass an jedem Fussgängerstreifen tatsächlich auch Personen queren könnten in dem Moment.
Man muss darüber nachdenken, Autofahrende zu sensibilisieren.
Ich denke, eine kurzfristige Massnahme auf Seiten der zu Fuss Gehenden ist sicherlich, zu sensibilisieren, dass ein Fussgängerstreifen keine oder nicht notwendigerweise eine sichere Querungsmöglichkeit ist.
Das Gespräch führte Christian Rensch.