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Zankapfel Tempo 30 innerorts BFU: «Bis zu 50 Prozent weniger schwere Unfälle»

Tempo 30 innerorts erhitzt die Gemüter. Der Touring Club Schweiz (TCS) befürchtet, dass immer mehr Städte Tempo 30 generell einführen und dadurch der Verkehr noch mehr ins Stocken geraten könnte. Tempo 30 sei für Wohnstrassen gut, auf den anderen Strassen aber schade es mehr, als es nütze . Dem widerspricht die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU). Tempo 30 rette Leben, sagt Direktor Stefan Sigrist.

Stefan Sigrist

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Der Präventionsfachmann Stefan Sigrist ist seit 2018 Direktor der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU).

SRF News: Wieso kann Tempo 30 innerorts Leben retten?

Stefan Sigrist: Das zeigt die Erfahrung. Mit einer tieferen Geschwindigkeit sinken Unfallrisiko und Schwere der Verletzungen. Wenn man weniger schnell fährt, übersieht man auch weniger rasch etwas.

Der Bremsweg bei Tempo 30 halbiert sich gegenüber Tempo 50.
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Ausserdem macht es biomechanisch einen sehr grossen Unterschied, ob ein Auto mit 50 Km/h in mich hineinfährt oder mit 30 km/h. Zudem reduziert sich der Bremsweg um die Hälfte, wenn man mit 30 statt mit 50 Km/h unterwegs ist.

Was sagen die Statistiken zur Wirkung von Tempo 30?

Die Einführung von Tempo 30 führt zu einer Reduktion der Anzahl schwerer Unfälle um ein Drittel. Ein Rückgang um bis zu 50 Prozent ist möglich, wenn Tempo 30 sehr gut sichtbar für den Fahrzeuglenker und die Fahrzeuglenkerin eingeführt wird.

Wichtig ist, dass die verkehrsorientierten Strassen mit Tempo 30 vortrittsberechtigt sind.
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In vielen Wohngebieten von Städten gibt es bereits Tempo-30-Zonen. Laut der BFU braucht es aber noch mehr davon. Weshalb?

Das Hauptunfallgeschehen ereignet sich innerorts nicht in Wohngebieten, sondern auf verkehrsorientierten Strassen, auf denen bislang Tempo 50 gilt. Jedes Jahr kommt es dort zu 1900 schwer verletzten Personen durch Unfälle, rund 80 Menschen sterben dabei sogar. Deshalb verlangen wir, dass auch auf verkehrsorientierten innerstädtischen Strassen vermehrt Tempo 30 zum Einsatz kommt.

Tempo 30 ist eine Chance, die vielen schweren und teuren Verkehrsunfälle innerorts zu vermindern.
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Der TCS stellt sich dagegen und sagt, der Verkehrsfluss werde behindert, zudem werde die Sicherheit gar nicht erhöht. Was sagen Sie dazu?

Es ist unbestritten, dass die Verkehrssicherheit erhöht würde, wenn auf mehr Strassen in den Städten Tempo 30 gelten würde. Das ist quasi eine naturwissenschaftliche Gesetzmässigkeit.

Zur Befürchtung, dass der Verkehr mit Tempo 30 nicht mehr fliessen könnte: Wichtig ist, dass die verkehrsorientierten Strassen mit Tempo 30 vortrittsberechtigt sind – vor Nebenstrassen und den Fussgängerinnen und Fussgängern – dann fliesst der Verkehr nach wie vor. Das zeigt die Erfahrung aus vielen europäischen Städten. Insofern ist Tempo 30 eine Chance, die vielen schweren und teuren Verkehrsunfälle innerorts zu vermindern.

Das Gespräch führte Tobias Gasser.

SRF 4 News aktuell vom 12.1.2022, 09.50 Uhr ; 

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