Vor zwei Wochen erschütterte das Drama am Tête Blanche die Schweiz. Nun äussert sich Rega-Chef Ernst Kohler im Tagesgespräch von Radio SRF erstmals zum Unglück und spricht von der Gratwanderung zwischen Leben retten und das eigene Leben nicht gefährden.
SRF News: Wie war die Rega an der Rettung der verunglückten Skitourengruppe beteiligt?
Ernst Kohler: Der Notruf der Tourengruppe ging zuerst bei der nationalen Luftrettungszentrale der Rega ein und wir leiteten den Alarm ins Wallis weiter. Drei unserer Helikopter waren vor Ort, um zu helfen. Es ist eine unglaubliche Tragödie. Ich habe in den letzten Tagen die Berichterstattung in den Medien über das Unglück verfolgt und bin der Meinung, dass man die Gruppe nicht verurteilen darf. Wir wissen nicht, welche Überlegungen, das sogenannte Risikomanagement, sie vor dem Aufbruch angestellt haben.
Sie sprechen die Diskussion an, ob die Gruppe überhaupt hätte starten dürfen und ob ihre Ausrüstung mangelhaft gewesen sei.
Ganz genau. Es war keine Skitourengruppe, die einen schönen Ausflug mit schöner Aussicht geniessen wollte. Das waren Skitourengeher, die Leistungssport betrieben haben und deren Umfeld das Hochgebirge war. Ich gehe davon aus, dass sie einfach Pech hatten, und ich finde es falsch, jetzt darüber zu urteilen. Die Diskussion kann aber auch zur Klärung führen, ob und welche Fehler im Unfallverlauf gemacht wurden. Um diese in Zukunft zu vermeiden.
Glücklicherweise haben wir in den letzten Jahren nur selten ein Unglück dieser Grössenordnung erlebt.
Zur Prävention kann ich nur sagen, dass jeder für sich selbst wissen muss, ob er bei diesem Wetter auf Tour gehen will. Risikomanagement ist sehr wichtig, und da ich nicht weiss, wie das Risikomanagement bei der verunglückten Gruppe aussah, kann ich sie nicht verurteilen.
Das Rettungsteam hat die fünf Toten auf einer Höhe von über 3000 m. ü. M. geborgen. Wie exponiert sind Rettungskräfte in dieser Höhe?
Die Höhe erschwert eine solche Rettung beziehungsweise Bergung. Die Leistungsfähigkeit der Helikopter ist in dieser Höhe begrenzt. Wir sind dort im Hochgebirge, und wenn das Wetter umschlägt, ist man wie in einer Mausefalle gefangen. Das ist ein enorm anspruchsvolles Unterfangen. Die Rettungskräfte haben einen super Job gemacht. Solche Rettungsaktionen gibt es immer wieder, aber zum Glück nur sehr selten mit einem so tragischen Ausgang.
Sie haben als Rega-Chef 18 Jahre Erfahrung, ist ein Einsatz mit so vielen Opfern selten?
Glücklicherweise haben wir in den letzten Jahren nur selten ein Unglück dieser Grössenordnung erlebt. Die immer besseren Ausrüstungen sowie die Alarmierungsmöglichkeiten spielen dabei sicher eine grosse Rolle. Aber solche Unfälle gab es immer wieder und werden uns auch in Zukunft nicht erspart bleiben.
Die Suche im Wallis musste wegen schlechten Wetters immer wieder unterbrochen werden. Wie hält man das als Rettungsperson aus?
Es ist ein technischer Beruf. Es ist ein ständiger Spagat zwischen dem, was noch gewagt werden muss und dem, was noch gewagt werden darf. Was muss noch gewagt werden, um Leben zu retten, und was darf noch gewagt werden, um das eigene Leben nicht zu gefährden? Es wäre töricht, wenn die Rettungskräfte sich selbst in Gefahr brächten und aus einem Unglück ein zweites machten.
Aus dem Tagesgespräch mit David Karasek, Mitarbeit Géraldine Jäggi.