Zuteilung der Flüchtlinge – darum geht es: Eigentlich ist das Vorgehen im Föderalismus klar. Der Bund weist die Flüchtlinge den Kantonen zu, die sich selber um die weitere Verteilung kümmern. Doch der grosse Ansturm an Geflüchteten aus der Ukraine brachte die Abläufe an ihre Grenzen. Deswegen werden seit Anfang März viele Ukrainerinnen und Ukrainer direkt aus den Bundesasylzentren an Gastfamilien vermittelt. Nun möchten die Kantone die Zuteilung der Geflüchteten wieder vermehrt selber angehen.
Darum wollen die Kantone selber Gastfamilien vermitteln: Einige Kantone betonen, dass die ursprünglichen Abläufe gut funktioniert hätten. Es sei wenig sinnvoll, wenn der Bund respektive die Schweizerische Flüchtlingshilfe ohne Einbezug der Kantone Geflüchtete bei Privaten platziere, sagt der St. Galler Regierungsrat Fredy Fässler. «Es bringt unser System durcheinander, wenn Leute in Gastfamilien untergebracht werden, ohne dass die Bedürfnisse geklärt sind und ohne dass klar ist, ob in der Gemeinde ausreichend Schulraum vorhanden ist.»
So viele ukrainische Geflüchtete sind in der Schweiz: Bis Samstag haben sich 44’366 Menschen aus der Ukraine in der Schweiz registrieren lassen. 38’223 dieser Flüchtlinge haben bisher den Schutzstatus S erhalten, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) mitteilt.
So werden die Geflüchteten auf die Kantone verteilt: Seit Montag werden die Geflüchteten aus der Ukraine gemäss nationalem Verteilschlüssel und entsprechend der Einwohnerzahl den Kantonen zugewiesen. Das heisst: Je grösser ein Kanton, desto mehr Personen muss er aufnehmen. Bund und Kantone verfügen nach eigenen Angaben zurzeit über genügend Plätze für die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine. Von den gut 9000 Betten des Bundes sind derzeit rund 5000 belegt, wie das SEM schreibt.
In diesen Kantonen leben besonders viele Geflüchtete: Bern und Tessin haben gemäss einer SEM-Erhebung je über 800 Flüchtlinge mit Schutzstatus S mehr aufgenommen, als sie gemäss Verteilschlüssel aufnehmen müssten. Über dem Soll liegen noch acht weitere Kantone, darunter Appenzell Ausserrhoden. Der Kanton mit 54’000 Einwohnern hat doppelt so viele Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen, wie er laut Verteilschlüssel müsste.
Darum sind die Flüchtlinge ungleichmässig verteilt: Für die Ungleichgewichte gebe es verschiedene Gründe, sagte David Keller, Leiter Krisenstab Asyl im SEM, am Donnerstag vor den Medien. Ein Grund könnten viele vorhandene private Unterkünfte sein, oder aber ein Kanton sei für einen anderen kurzfristig eingesprungen. Zudem zieht es viele Geflüchtete in die Städte. Da erstaunt es nicht, dass besonders grössere Kantone wie Genf, St. Gallen, Aargau oder die Waadt gemäss Verteilschlüssel bisher zu wenige Menschen aus der Ukraine aufgenommen haben.
Diese Qualifikationen bringen Ukrainerinnen und Ukrainer mit: Das SEM hat stichprobenartig erhoben, welche Berufsqualifikationen die Geflüchteten mit Schutzstatus S haben. Diese sind laut Philipp Berger, Abteilungschef Zulassung Arbeitsmarkt im Staatssekretariat für Migration (SEM), «vergleichsweise gut».
Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass alle gemäss ihrem Qualifikationsniveau beruflich eingesetzt werden könnten. «Wir rechnen mit einer gewissen Dequalifizierung.» Grund dafür ist laut Berger das Fehlen von Sprach- oder weiteren Grundkompetenzen. Aktuell haben landesweit über 200 Personen aus der Ukraine eine Arbeitsstelle in der Schweiz angetreten.