Geht eine Parlamentarierin während des Mutterschaftsurlaubs ins Parlament, stimmt dort ab und nimmt an Sitzungen teil, dann bekommt sie ab sofort keine Mutterschaftsentschädigung mehr. Das Bundesgericht hat dies im Fall der Berner GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy bestätigt.
Bertschy brachte 2018 eine Tochter zur Welt, einige Monate später nahm sie wieder an der Session im Bundeshaus teil. Das führte dazu, dass ihr die Mutterschaftsentschädigung gestrichen wurde – nicht nur für das Parlamentsmandat, sondern auch für ihren Beruf neben dem Bundeshaus.
Dagegen hat sich Bertschy gewehrt, zusammen mit dem Frauen-Dachverband Alliance F, in welchem sie Co-Präsidentin ist.
Bundesgericht: Normaler Broterwerb
Das Bundesgericht bestätigt nun aber seine bisherige Rechtsprechung und hält fest, dass das Amt als Nationalrätin juristisch gesehen als ganz normale Erwerbstätigkeit gilt. Schliesslich werde die Arbeit im Parlament bezahlt. Dass das Geld nicht die Hauptmotivation fürs politische Engagement sei, habe keinen Einfluss auf diese Einschätzung.
Und wer seine Arbeit wieder aufnehme, verliere den Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung, per sofort und definitiv, so die Lausanner Richter. Das Gesetz sei hier ganz klar.
Staatspolitische Frage?
Bertschy zeigt sich enttäuscht vom Urteil. Das Bundesgericht habe mit einem «Tunnelblick» auf die Sozialversicherung geurteilt – und nicht eine «staatspolitische Frage» geklärt. Denn es gehe hier eben nicht nur um eine Frage der Mutterschaftsversicherung, findet Bertschy, sondern um eine grundsätzliche politische Frage.
«Politikerinnen im Amt müssen sich während der Mutterschaftszeit zwischen politischen Rechten und Einkommen entscheiden. Das darf nicht sein», interpretiert Bertschy den Entscheid.
Sie will nun im Parlament darauf hinarbeiten, dass die politische Arbeit in Bezug auf die Mutterschaftsversicherung einen Sonderstatus bekommt. Entsprechende Vorstösse sind im Parlament bereits hängig.
Nötigenfalls vor den EGMR
Ausserdem will die grünliberale Politikerin einen zweiten Punkt im Gesetz regeln: Der Vaterschaftsurlaub dürfe unterbrochen werden – das müsse auch für Mütter gelten, ohne dass sie die Entschädigung verlieren. «Das ist sonst kein Mutterschutz, sondern eine Entmündigung.»
Für den Fall, dass die politischen Wege nicht zum Ziel führen, prüfen Bertschy und Alliance F, ob sie das Urteil des Bundesgerichts an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weiterziehen wollen.