Im Februar 2018 hat ein 24-jähriger Mann in einem Hotelzimmer eine damals 17-jährige Frau vergewaltigt. Das Amtsgericht Olten-Gösgen hat diese Woche den Mann zu einer teilbedingten Gefängnisstrafe verurteilt. 12 Monate muss er ins Gefängnis, die restlichen 16 Monate der Strafe wurden bedingt verhängt.
Zu reden gibt das Urteil nun wegen der Urteilsbegründung durch den Amtsgerichtspräsidenten. Dieser sagte gemäss dem Oltner Tagblatt in der mündlichen Urteilseröffnung, die Strafe sei nicht höher ausgefallen, weil es sich um eine «relativ milde Vergewaltigung» handle, «wenn man das überhaupt so sagen kann.»
Entrüstung in den sozialen Medien
Für Opferberaterin Agota Lavoyer ist eine solche Aussage ein Affront gegenüber dem Opfer. Sie äusserte sich deshalb auf Twitter und erhielt viel Zustimmung von anderen Userinnen und Usern.
Auf Nachfrage doppelt Agota Lavoyer nach: «Eine solche Aussage ist opferabwertend und täterentlastend». Sprache sei mächtig und es sei für das Opfer untragbar, wenn es von einem Richter hören müsse, dass die erlittene Vergewaltigung mild gewesen sei, so Lavoyer, die derzeit die Opferberatungsstelle des Kantons Solothurn leitet.
Ähnlicher Fall in Basel
Der Fall aus Olten ist dabei kein Einzelfall. Erst kürzlich wurde einer Frau in Basel in der mündlichen Urteilseröffnung eine gewisse Mitschuld an einer Vergewaltigung gegeben. Das Opfer habe «mit dem Feuer gespielt», habe beim Clubbesuch vor der Tat «falsche Signale» ausgesendet und die Tat habe «nur» elf Minuten gedauert, lautete die mündliche Begründung der vorsitzenden Richterin, wie mehrere Medien damals übereinstimmend berichteten.
In der schriftlichen Urteilsbegründung, die diese Woche erschien, fehlt dies nun zwar. Trotzdem zeige sich für Opferberaterin Lavoyer an solchen Fällen, dass immer noch viele falsche Vorstellungen über sexuelle Gewalt kursierten.
Es gibt keine milden Vergewaltigungen.
Gerade Personen, die mit Opfern sexueller Gewalt zu tun hätten, wüssten oft zu wenig Bescheid. «Wenn man genügend über Sexualdelikte weiss, dann bezeichnet man keine Vergewaltigung als mild.» Für Opferberaterin Lavoyer geht es bei ihrer Kritik auch nicht um das Strafmass, sondern um die Wortwahl des Oltner Richters.
Der Amtsgerichtspräsident erklärt auf Anfrage von SRF News, dass er sich zur Sache nicht weiter äussern wolle.