Von der Virusmutation aus Grossbritannien sind mittlerweile mehrere Fälle in der Schweiz nachgewiesen worden. Und auch das veränderte Coronavirus aus Südafrika ist erstmals in der Schweiz aufgetaucht. Marcel Salathé, Epidemiologe an der ETH Lausanne, erstaunt das nicht. Das Auftauchen weiterer Mutationen ist mit den derzeit hohen Fallzahlen wahrscheinlich.
SRF News: Die Virusmutation aus Südafrika soll noch ansteckender sein als diejenige aus Grossbritannien. Wie beunruhigend ist das?
Marcel Salathé: Es ist in einem gewissen Masse beunruhigend, denn es ist nicht das, was wir uns jetzt gewünscht hätten, auf das langsame, aber hoffentlich baldige Ende dieser Pandemie hin. Es scheint, dass sich beide Varianten besser verbreiten können. Das «Gute» an dieser Neuigkeit ist, dass wir zumindest im Moment noch keinen Hinweis darauf haben, dass diese Varianten stärkere Krankheitsverläufe auslösen würden. Und es ist im Moment auch nicht so, dass der Impfstoff nicht wirksam wäre – wobei wir hier noch nicht viel wissen. Die Daten dazu müssen wir erst noch sammeln.
Laut der «Sonntagszeitung» sind 200 britische Touristen aus der Quarantäne geflohen. Wie gross ist die Gefahr einer Weiterverbreitung?
Wenn man das Virus nicht gut kontrolliert, ist diese Gefahr sehr gross. Das haben wir in England und auch in Südafrika gesehen, wo diese Varianten sich lokal sehr stark verbreitet haben und dann sogar die dominierenden wurden. Das wäre auch hier möglich. Es ist deshalb wichtig, dass wir viel testen und sequenzieren, damit wir ein gutes Bild davon haben, welche Variante wo ist.
Auch das Verfolgen der Kontakte und die Einhaltung der Quarantäne wären wichtig. Das funktioniert aber bislang nicht sehr gut...
Ja, das ist das grosse Problem. Wir sagen ja schon lange, man sollte die Fallzahlen tief halten. Tiefe Fallzahlen sind für alle gut, für die Wirtschaft und für die Gesundheit. Jetzt haben wir nochmals ein Argument. Das ist natürlich nicht neu, aber es zeigt sich jetzt sehr stark, dass hohe Fallzahlen auch mehr Mutationen zeigen. Wenn es mehr Viren gibt, ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass man neue Varianten sieht, höher. Im Moment haben wir zum Glück noch keinen Hinweis darauf, dass sich diese Varianten dem Impfstoff entziehen.
Das Impfen ist unser Austrittsticket aus der ganzen Krise.
Es ist aber möglich, dass eines Tages eine solche Variante auftaucht. Deshalb ist es enorm wichtig, die Fallzahlen runterzukriegen. Und bei noch ansteckenderen Varianten muss man den Effort entsprechend verstärken.
Was wäre denn nun besonders wichtig?
Dass man all das, was man schon vorgeschlagen hat, auch konsequent tut; noch konsequenter die Kontakte reduziert, noch konsequenter das Contact Tracing macht und testet. Mir wäre es im Hinblick auf die Impfung auch wichtig, dass man wirklich alle Hebel in Bewegung setzt, damit es damit so rasch wie möglich losgehen kann. Das ist unser Austrittsticket aus der ganzen Krise, also würde ich da gern die entsprechende Geschwindigkeit sehen.
Das Ende dieser Pandemie wäre mit dem Impfstoff da. Dann wird die Pandemie wahrscheinlich zur Endemie.
Sind diese Hoffnungen in den Impfstoff gerechtfertigt?
Ja, die sind insofern gerechtfertigt, als dass man mit weiteren effizienten Impfstoffen rechnen kann und dass es jetzt sehr zügig vorwärtsgeht mit der Impfung. Das hat man ja immer gesagt: Das Ende dieser Pandemie wäre mit dem Impfstoff da. Dann wird die Pandemie wahrscheinlich zur Endemie. Das Virus lässt sich nicht ganz ausrotten. Aber es ist dann nicht mehr so, dass wir in einer gesundheitlichen Krise stecken. Der Impfstoff bietet uns diese Möglichkeit. Deshalb sollten wir jetzt rasch vorwärtsmachen.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.