- Die Nitrochemie AG stellt als eine von ganz wenigen Fabriken in Europa Treibladungspulver für Artilleriegranaten her.
- Nun fordert die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats rund 100 Millionen Bundesgelder für die Schiesspulverfabrik.
- Generell will die bürgerliche Mehrheit verstärkt Kontrolle über sicherheitspolitisch bedeutende Firmen ausüben
Die veränderte Sicherheitslage in Europa seit dem russischen Überfall auf die Ukraine verändert auch die Schweizer Sicherheitspolitik stark. Der Staat soll Firmen kontrollieren, die für die Sicherheit der Schweiz bedeutend sind, meinen immer mehr Stimmen im Parlament.
In Wimmis bei Thun stellt die Nitrochemie-AG Treibladungspulver für Artilleriegranaten her. Seit dem Ukraine-Krieg ein stark gefragtes Gut. Die ehemalige eidgenössische Pulverfabrik gehört heute mehrheitlich dem deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall. Rheinmetall möchte den Standort Wimmis für 200 Millionen Franken ausbauen, weil die Nachfrage nach Schiesspulver stark gestiegen ist. Dem staatlichen Rüstungskonzern Ruag gehören 45 Prozent der Schiesspulverfabrik.
Bürgerliche befürchten Kontrollverlust
Wenn die Schweiz nicht auch investiert, verliere sie an Mitsprache und Kontrolle der Fabrik. Der Bund müsse rund 100 Millionen Franken einschiessen, fordert Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU), die Präsidentin der Sicherheitspoltischen Kommission des Ständerats im Namen der Mehrheit der Kommission. «Wir müssen an unserer Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit arbeiten», erklärt Gmür-Schönenberger, «Komponenten, die wir jetzt in der Schweiz haben, sollten wir auf keinen Fall aus der Hand geben.»
Kritik von Links
Weil die Nitrochemie keine ganzen Granaten herstellt, nur einzelne Bestandteile, unterliegen diese keinen Exportrestriktionen. Das Treibladungspulver könnte nicht nur in Schweizer Granaten zum Einsatz kommen, sondern irgendwo auf der Welt.
Dies kritisiert SP-Sicherheitspolitikerin und Ständerätin Franziska Roth (SO): «Es ist nicht Bundesaufgabe, in ein Unternehmen zu investieren, das Komponenten für Kriegsmaterial für andere Länder herstellt», meint Roth.
Auch Raumfahrtunternehmen soll durch Bund kontrolliert werden
Doch auch beim staatlichen Raumfahrtunternehmen Beyond Gravity fordert eine Mehrheit der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats, der Bund müsse den Hersteller von sicherheitspolitisch bedeutenden Satellitenteilen weiterhin kontrollieren – eigentlich will der Bund das Unternehmen in diesem Jahr verkaufen.
Munitionsfabrik zurückkaufen?
Eine ähnliche Diskussion gibt es auch bei der Munitionsfabrik Swiss-P in Thun, die der Bund an die italienische Waffenschmiede Beretta abgab. Es wird befürchtet, Beretta könnte den Standort Thun längerfristig schliessen. Nun fordern erste Sicherheitspolitiker, das Unternehmen notfalls wieder zurückzukaufen.
Der Berner SVP-Sicherheitspolitiker und Ständerat Werner Salzmann argumentiert in diese Richtung: «Der Bund muss sicherstellen, dass diese Fabrik in der Schweiz bleibt und wir die Möglichkeit haben, Munition selber herzustellen», sagt Salzmann.
Für eine bürgerliche Mehrheit ist klar. Der Bund muss wieder mehr Kontrolle über sicherheitspolitisch bedeutende Firmen für die Schweiz ausüben.