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Treibladungen für Artillerie Soll der Bund 135 Millionen in Schiesspulver-Fabrik investieren?

Der Bund muss viel Geld in die Hand nehmen – sonst hat er kaum mehr etwas zu sagen bei der Nitrochemie AG in Wimmis/BE.

Nur wenige Fabriken in Europa stellen Schiesspulver her. Eine davon ist die Nitrochemie AG in Wimmis. Deshalb ist sie wichtig für Europa und die Schweiz – und zwar nicht nur für die Schweizer Armee, wie SVP-Sicherheitspolitiker und Ständerat Werner Salzmann betont.

Die Nitrochemie sei auch strategisch von Bedeutung, denn dank der heimischen Schiesspulver-Produktion könne sich die Schweiz für internationale Lieferketten unentbehrlich machen. «Die Schweiz hat damit ein Pfand für einen Austausch in der Hand. Das dürfen wir uns nicht entgehen lassen», so Salzmann.

Rheinmetall will die Nitrochemie ausbauen

Die Mehrheit der privaten Nitrochemie gehört allerdings dem deutschen Rheinmetall-Konzern. Die Schweiz besitzt über ihren Rüstungskonzern Ruag 45 Prozent an der Schiesspulver-Fabrik. Und dieser Anteil könnte bald schrumpfen.

Denn Rheinmetall will den Standort Wimmis für 300 Millionen Franken ausbauen. Dabei stellt der deutsche Konzern die Ruag vor die Wahl: Entweder man beteiligt sich an der Investition oder der Schweizer Anteil an der Nitrochemie sinkt entsprechend. Für Sicherheitspolitiker Salzmann wäre das ein Horrorszenario. «Das müssen wir unbedingt verhindern.»

Der Bund muss für die Ruag einspringen

Ohne die Investition würde die Schweiz an Mitspracherecht verlieren – und Rheinmetall könnte im Extremfall den Standort Wimmis sogar schliessen und nach Deutschland verlegen. Doch es gibt ein Problem: Der Ruag fehlen die nötigen 135 Millionen Franken, um die geforderte Investition zu tätigen.

Sicherheitsexperte Dossi: Beteiligung halten

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«Treibladungen gehören derzeit zu den gefragtesten Rüstungsgütern überhaupt», sagt Amos Dossi, der am Center for Security Studies an der ETH zur Rüstungspolitik forscht. Er sieht gute Gründe für ein staatliches Engagement bei der Herstellung von Schiesspulvern und von Treibladungen für Geschosse. Die Herstellung sei extrem anspruchsvoll, nur wenige Firmen verfügten über das Know-how zur Produktion von Treibladungen. «Dank der Nitrochemie ist die Schweiz hervorragend aufgestellt – auch im Hinblick darauf, befreundete Staaten mit Lieferungen zu unterstützen.» Deshalb: «Aus strategischer Sicht ist es wünschbar, diese Position zu halten», betont Dossi.

Zudem fehlt eine gesetzliche Grundlage für ein Engagement des Bundes. Und so prüft das Verteidigungsdepartement zurzeit, welche Gesetze man ändern müsste, um die 135 Millionen einzuschiessen. Entscheiden wird das Parlament. Die Zeit drängt, denn Rheinmetall will bis Mai Klarheit.

Parlamentsmehrheit zeichnet sich ab

Die Mehrheit im Bundeshaus dürfte der Investition durchaus positiv gegenüberstehen. Sicherheitspolitikerinnen und -politiker von SVP, FDP und der Mitte sind offen für den Griff in die Bundeskasse für ein zusätzliches Engagement bei der Nitrochemie.

Von links kommt Opposition

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Linke Sicherheitspolitikerinnen und -politiker sind gegen einen Schnellschuss zur Finanzierung des Ausbaus der Nitrochemie in Wimmis. So verlangt etwa SP-Ständerätin Franziska Roth, der Bund solle ganz aus der Nitrochemie AG aussteigen. «Es ist nicht Aufgabe des Bundes, eine Firma zu unterstützen, die das dort produzierte Kriegsmaterial vorwiegend exportiert», so Roth. Um die Lieferungen an die Schweizer Armee mache sie sich keine Sorgen: Die Schweiz könne sich absichern, indem sie mit Europa und der Nato eng zusammenarbeite.

Mitte-Nationalrätin Nicole Barandun zieht einen Vergleich zur früheren staatlichen Munitionsherstellerin Ammotec: Der Bund hatte diese vor drei Jahren verkauft – und bereits droht die neue Besitzerin Beretta damit, die Fabrik in Thun zu schliessen.

Augenmerk auf kritischer Infrastruktur

Sie habe in der Zwischenzeit dazugelernt, sagt Barandun. Sie spricht von einem Stimmungsumschwung: «Mittlerweile ist eine Mehrheit im Parlament sicher dafür, dass man solche kritischen Infrastrukturen erhält.»

Man komme wohl nicht darum herum, diese Betriebe in staatlicher Hand zu belassen oder eine wesentliche Mehrheit daran in Bundeshand zu halten. Für Barandun sind die 135 Millionen Franken für die Nitrochemie also mehrheitsfähig.

Bereits laufen auch Diskussionen über einen Rückkauf der Munitionsfabrik Ammotec. Und die geplante Privatisierung des Weltraumkonzerns Beyond Gravity – er gehört zur Ruag – steht kurz vor dem Aus.

Die Zeichen stehen auf mehr Staat in der Rüstungsindustrie.

Info 3, 11.12.2024, 17:00 Uhr;stal

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