- Die Bundesanwaltschaft ermittelt in mehreren Fällen wegen Wahlfälschung.
- Bei rund einem Dutzend Volksinitiativen ist womöglich betrogen worden.
- Die Tamedia-Zeitungen hatten darüber berichtet, dass mehrere Unternehmen mutmasslich im grossen Stil Unterschriften gefälscht haben.
- Erste Institutionen fordern nun ein Verbot von Unterschriften für Initiativen und Referenden gegen Geld.
«Die Verfahren laufen zurzeit gegen verschiedene natürliche Personen und gegen Unbekannt», teilte die Bundesanwaltschaft (BA) auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Im Rahmen der betreffenden Verfahren hätten die BA und das Bundesamt für Polizei Hausdurchsuchungen und Einvernahmen durchgeführt. Personen hinter der Service-Citoyen-Initiative hätten wegen vieler ungültiger Unterschriften Verdacht geschöpft und Strafanzeige eingereicht, schrieben die Tamedia-Zeitungen.
Die fraglichen Unterschriften habe das Unternehmen Incop gegen Geld gesammelt. Zum Teil seien offenbar ganze Bögen von älteren Volksbegehren abgeschrieben worden. Die Bundesanwaltschaft äusserte sich nicht dazu, um welche Initiativen es geht und gegen wen sich die Verfahren richten.
Bereits Anfang 2019 hätten sich mehrere Gemeinden wegen möglicher Betrugsfälle beim Kanton gemeldet, sagte Vincent Duvoisin, Chef der Abteilung Gemeinden und Kantone bei der Waadtländer Kantonsverwaltung, den Tamedia-Zeitungen. Daraufhin habe man die Gemeinden aufgefordert, Unregelmässigkeiten zu melden. Ein klares politisches Muster ergab sich nach Angaben des Kantons Waadt nicht.
Ein Dutzend Volksinitiativen betroffen
Zu den betroffenen Initiativen gehörten demnach die Pro-AKW-Initiative «Blackout stoppen», die Neutralitätsinitiative, die Massentierhaltungsinitiative und die Initiative für ein Importverbot für tierquälerisch erzeugte Pelzprodukte. Eine der Strafanzeigen zum Thema stammt von der Bundeskanzlei, wie diese auf Anfrage bestätigte.
Es liegen keine Hinweise vor, dass Volksinitiativen oder Referenden dank gefälschter Unterschriften zur Abstimmung gelangt sind.
«Die Meldungen über Verdachtsfälle betreffen in unterschiedlichem Ausmass rund ein Dutzend eidgenössische Volksinitiativen», schrieb Sprecher Urs Bruderer. Dabei gehe es schwergewichtig um Unterschriftenlisten aus Gemeinden der Westschweiz, wobei man seit letztem Winter auch zunehmend Verdachtsmeldungen aus der Deutschschweiz erhalte.
Was die konkreten Folgen der mutmasslichen Fälschungen angeht, geht Bruderer aber derzeit nicht vom Worst-Case-Szenario aus: «Es liegen keine Hinweise vor, dass Volksinitiativen oder Referenden dank gefälschter Unterschriften zur Abstimmung gelangt sind.» Vielmehr lasse die Zahl der von den Gemeinden für ungültig erklärten Unterschriften darauf schliessen, dass die Kontrolle der Gültigkeit der eingereichten Unterschriften funktioniere.
Stiftung sieht Regierung in der Pflicht
Die Stiftung für direkte Demokratie sieht Bundesrat und Parlament in der Verantwortung, das kommerzielle Sammeln von Unterschriften «sofort zu unterbinden», wie sie schreibt. Ausgenommen sein müssten Vereine, Verbände und Parteien, deren Mitarbeitende Unterschriften für eigene oder unterstützte Anliegen sammelten.