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Verdacht auf Wahlfälschung Bundeskanzlei: Möglicher Betrug bei gut einem Dutzend Initiativen

  • Die Bundesanwaltschaft ermittelt in mehreren Fällen wegen Wahlfälschung.
  • Bei rund einem Dutzend Volksinitiativen ist womöglich betrogen worden.
  • Die Tamedia-Zeitungen hatten darüber berichtet, dass mehrere Unternehmen mutmasslich im grossen Stil Unterschriften gefälscht haben.
  • Erste Institutionen fordern nun ein Verbot von Unterschriften für Initiativen und Referenden gegen Geld.

«Die Verfahren laufen zurzeit gegen verschiedene natürliche Personen und gegen Unbekannt», teilte die Bundesanwaltschaft (BA) auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Im Rahmen der betreffenden Verfahren hätten die BA und das Bundesamt für Polizei Hausdurchsuchungen und Einvernahmen durchgeführt. Personen hinter der Service-Citoyen-Initiative hätten wegen vieler ungültiger Unterschriften Verdacht geschöpft und Strafanzeige eingereicht, schrieben die Tamedia-Zeitungen.

«Solche Vorfälle kratzen am Vertrauen der Bevölkerung»

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Einschätzungen von SRF-Bundeshausredaktorin Christa Gall:

«Ob die Unterschriften im Nachhinein noch als ungültig erklärt werden können, lässt sich Stand heute nicht beantworten. Denn das genaue Ausmass der Fälschungen ist nicht bekannt. Es gibt Experten, die sagen, man müsse davon ausgehen, dass wir in der Vergangenheit über Initiativen und Referenden abgestimmt haben, die so nie zustande gekommen wären. Die Bundeskanzlei teilt diese Haltung jedoch nicht. Aus der Anzahl Indizien kann man der Bundeskanzlei zufolge nicht schliessen, dass Volksbegehren deshalb fälschlicherweise zur Abstimmung gelangt seien. Die Untersuchungen laufen jetzt und sind sehr aufwendig, es werden einzelnen Unterschriften nachgegangen.

Inwiefern solche Vorfälle das Vertrauen in die direkte Demokratie beschädigen, kann man nicht sagen. Eine Beschädigung ist nicht da, aber es kratzt am Vertrauen der Bevölkerung, wenn die Prozesse nicht korrekt ablaufen. Oder es verstärkt zumindest den Eindruck, dass man sich mit Geld eine Abstimmung und die daraus entstehende Diskussion erkaufen kann. Und das ist nicht förderlich fürs Vertrauen in die direkte Demokratie.»

Die fraglichen Unterschriften habe das Unternehmen Incop gegen Geld gesammelt. Zum Teil seien offenbar ganze Bögen von älteren Volksbegehren abgeschrieben worden. Die Bundesanwaltschaft äusserte sich nicht dazu, um welche Initiativen es geht und gegen wen sich die Verfahren richten.

Bereits Anfang 2019 hätten sich mehrere Gemeinden wegen möglicher Betrugsfälle beim Kanton gemeldet, sagte Vincent Duvoisin, Chef der Abteilung Gemeinden und Kantone bei der Waadtländer Kantonsverwaltung, den Tamedia-Zeitungen. Daraufhin habe man die Gemeinden aufgefordert, Unregelmässigkeiten zu melden. Ein klares politisches Muster ergab sich nach Angaben des Kantons Waadt nicht.

Ein Dutzend Volksinitiativen betroffen

Zu den betroffenen Initiativen gehörten demnach die Pro-AKW-Initiative «Blackout stoppen», die Neutralitätsinitiative, die Massen­tier­haltungs­initiative und die Initiative für ein Importverbot für tierquälerisch erzeugte Pelzprodukte. Eine der Strafanzeigen zum Thema stammt von der Bundeskanzlei, wie diese auf Anfrage bestätigte.

Es liegen keine Hinweise vor, dass Volksinitiativen oder Referenden dank gefälschter Unterschriften zur Abstimmung gelangt sind.
Autor: Urs Bruderer Sprecher der Bundeskanzlei

«Die Meldungen über Verdachtsfälle betreffen in unterschiedlichem Ausmass rund ein Dutzend eidgenössische Volksinitiativen», schrieb Sprecher Urs Bruderer. Dabei gehe es schwergewichtig um Unterschriftenlisten aus Gemeinden der Westschweiz, wobei man seit letztem Winter auch zunehmend Verdachtsmeldungen aus der Deutschschweiz erhalte.

Bei diesen Initiativen gab es fingierte Unterschriften

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Aus dem rechts-konservativen Lager sind folgende Initiativen betroffen:

  • Die Pro-AKW-Initiative «Blackout stoppen»
  • Die SVP-Neutralitätsinitiative
  • Die SVP-Initiative gegen die 10-Millionen-Schweiz
  • Die Volksinitiative für Ernährungssicherheit
  • Zwei (im Sammelstadium gescheiterte) Anti-Abtreibungsinitiativen

Aus dem ökologischen Lager sind folgende Initiativprojekte betroffen:

  • Die Initiative gegen Massentierhaltung
  • Die Initiative für ein Importverbot für tierquälerisch erzeugte Pelzprodukte
  • Die Initiative für ein Importverbot für Stopfleber
  • Die Tierversuchsverbotsinitiative

Hinzu kommen zwei Initiativen, die politisch nicht klar zu verorten sind:

  • Die Justiz-Initiative von Adrian Gasser, der die Bundesrichter per Los bestimmen wollte
  • Die Service-Citoyen-Initiative

Quelle:  Tamedia-Zeitungen

Menschen füllen Formulare aus.
Legende: Besonders gross scheint das Phänomen mit fingierten Unterschriften laut Zeitungsbericht in der Westschweiz zu sein. KEYSTONE/Martin Ruetschi

Was die konkreten Folgen der mutmasslichen Fälschungen angeht, geht Bruderer aber derzeit nicht vom Worst-Case-Szenario aus: «Es liegen keine Hinweise vor, dass Volksinitiativen oder Referenden dank gefälschter Unterschriften zur Abstimmung gelangt sind.» Vielmehr lasse die Zahl der von den Gemeinden für ungültig erklärten Unterschriften darauf schliessen, dass die Kontrolle der Gültigkeit der eingereichten Unterschriften funktioniere.

Stiftung sieht Regierung in der Pflicht

Die Stiftung für direkte Demokratie sieht Bundesrat und Parlament in der Verantwortung, das kommerzielle Sammeln von Unterschriften «sofort zu unterbinden», wie sie schreibt. Ausgenommen sein müssten Vereine, Verbände und Parteien, deren Mitarbeitende Unterschriften für eigene oder unterstützte Anliegen sammelten.

Tagesschau, 2.9.2024, 19:30 Uhr ; 

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