Zehn Tage nach dem offiziellen Aus des Rahmenabkommens mit der EU schieben sich die politischen Parteien gegenseitig die heisse Kartoffel zu. FDP-Präsidentin Petra Gössi machte in der Samstagsrundschau von Radio SRF die linken Parteien und die Gewerkschaften verantwortlich – und nicht wie von dort häufig kolportiert, die FDP-Bundesräte.
Auch wenn unterschiedliche Vorschläge eingereicht würden – was auch FDP-Magistraten gemacht hätten – brauche es im Bundesrat einen Mehrheitsentscheid. Und die Partei müsse nicht immer einverstanden sein damit, was die Exekutive mache, sagte die Schwyzer Nationalrätin. Wichtig sei in Bezug auf das Rahmenabkommen, dass in der Sache nun endlich ein Entscheid gefällt worden sei.
Ganz anders äusserte sich heute Jürg Grossen, Parteipräsident der Grünliberalen in den Zeitungen der Tamedia. Grossen hielt den Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen für einen «krassen Fehlentscheid» und «das grösste Armutszeugnis» des Bundesrats.
Dieser habe kollektiv versagt, doch die FDP trage die Hauptverantwortung. Die Freisinnigen seien für ihn sogar nicht mehr Regierungs-tauglich.
Die grosse Frage: Wie weiter?
Uneins sind sich die GLP und die FPD auch darüber, wie es nun weitergehen soll. FDP-Präsidentin Gössi will voll auf den bilateralen Weg setzen. «Die Bilateralen bleiben der Königsweg», sagte Gössi. Die Partei habe kein Interesse am EU-Beitritt und «nur an einem Freihandelsabkommen.» Auch der EWR-Beitritt sei für sie kein Thema.
Jürg Grossen hingegen findet einen EWR-Beitritt der Schweiz eine valable Alternative, welche ernsthaft diskutiert werden müsse. Der EWR-Beitritt biete den vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt, die Teilhabe an der europäischen Forschungszusammenarbeit, an der Stromversorgung, und er enthalte Mechanismen für die Konfliktlösung.
Der EWR sei aber nicht der favorisierte Weg der GLP, so der Berner Nationalrat weiter. Aus Sicht der Grünliberalen bleibe der Abschluss eines Rahmenabkommens «der Königsweg», weil es den bilateralen Weg auf lange Zeit stabilisieren würde.
Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände im Clinch
Nach dem Aus des Rahmenabkommens bleiben auch die Fronten zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden verhärtet. Einig ist man sich zwar darin, dass man die Zusammenarbeit mit der EU stärken wolle, doch wie – darüber gehen die Positionen stark auseinander.
Am Kongress der Gewerkschaft Unia, der am Freitag und Samstag virtuell stattfand, betonte Präsidentin Vania Alleva, man sei gegen den Angriff auf den Lohnschutz gewesen, nicht gegen das Rahmenabkommen an sich. Die Schweiz solle nun die Aufenthaltssicherheit und die sozialen Rechte von EU-Bürgerinnen und -Bürgern stärken – namentlich im Fall von Arbeitslosigkeit. So würden Kernelemente der Unionsbürgerrichtlinie umgesetzt.
Stefan Brupbacher, Direktor von Swissmem, dem führenden Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, spricht sich klar dagegen aus. Die Unionsbürgerrichtlinie führe schlicht zu Zuwanderung in die Sozialwerke. «Was wir dagegen fordern, sind starke Zeichen bei der autonomen Reform und Modernisierung der flankierenden Massnahmen», so Brupbacher. Das führe zu einem besseren Lohnschutz, sogar mit weniger Kontrollen.