Für Arnold Koller, den früheren CVP-Bundesrat, war der Bundesratsentscheid, das Rahmenabkommen mit der EU fallenzulassen, «eine grosse Enttäuschung». Man habe sieben Jahre mit der EU verhandelt und dann «einfach so den Bettel hingeworfen», sagt der unterdessen fast 90 Jahre alte Koller.
Ich habe mich masslos aufgeregt.
«Ich habe mich masslos aufgeregt über den Entscheid», sagt alt Bundesrat Moritz Leuenberger. Man hätte das Verhandlungsergebnis zumindest dem Parlament unterbreiten sollen, so der frühere SP-Bundesrat. «Man ist einfach ausgestiegen, ohne zu sagen, was man eigentlich will.»
Bundesrat muss mutig voranschreiten
Und Adolf Ogi, Berner alt Bundesrat der SVP, sagt, die Landesregierung müsse bei gewissen Fragen auch mal mutig voranschreiten, vielleicht auch mal ein Risiko eingehen und dann das Volk davon überzeugen. «Man hätte mit diesem Rahmenvertrag vors Parlament und vors Volk gehen müssen.»
Man hätte mit dem Rahmenvertrag vors Volk gehen müssen.
Selbst wenn das Abkommen in der Volksabstimmung gescheitert wäre, wäre das für Arnold Koller besser gewesen. «Ein Volksnein wäre demokratisch legitimiert gewesen, während ein Nein des Bundesrats einfach nichts ist.»
Mehr ist kaum herauszuholen
Es ist dies eine bemerkenswerte Aussage von Koller. Denn dabei schwingt mit, dass der Bundesrat mit einem Parlamentsentscheid oder einem Volksentscheid im Rücken jetzt viel klarer gegenüber Brüssel auftreten könnte.
Mehr kann die Schweiz nicht verlangen. Sonst müsste die EU ihre Verträge ändern.
Kommt hinzu, dass der Bundesrat mit dem vorliegenden Rahmenabkommen praktisch das Maximum rausgeholt habe, sagt Koller. Man wisse seit dem EWR (Europäischer Wirtschaftsraum) in den 1990er-Jahren, was bei den institutionellen Fragen möglich sei: Bei EU-Recht sei der Europäische Gerichtshof zuständig, bei anderen Fragen ein Schiedsgericht.
«Mehr kann die Schweiz nicht verlangen. Sonst müsste die EU ihre Verträge ändern», sagt Koller. Die Schweiz wird also eine institutionelle Lösung akzeptieren müssen, bei welcher der EuGH (Europäischer Gerichtshof) eine wichtige Rolle spielt.
Ich würde einen Vertrag aushandeln – und zwar muss jetzt der Bundesrat persönlich ran.
Die aktuelle Situation ist verfahren. Was also jetzt? «Ich würde einen Vertrag aushandeln – und zwar muss jetzt der Bundesrat persönlich ran», sagt Adolf Ogi. Es reiche nicht, einfach Staatssekretäre nach Brüssel zu schicken.
Völlig anders sieht das alt Bundesrat Christoph Blocher, wie Ogi ebenfalls von der SVP. Grundsätzlich massgebend sei, ob die Schweiz durch das Abkommen verpflichtet sei, EU-Recht zu übernehmen und dies durch den EuGH erzwungen werden könnte.
Schon der EWR scheiterte an dieser Grundsatzfrage.
«Wenn man das nicht aus dem Vertrag nehmen kann, ist dieser grundsätzlich verloren», betont Ogis alter Gegenspieler. Das sei schon beim EWR der Fall gewesen. «Er scheiterte genau an dieser Grundsatzfrage.»
Er selber habe sich beim Rahmenabkommen auf eine Volksabstimmung eingestellt, sagt der SVP-Doyen. Umso überraschter sei er gewesen, als der Bundesrat dem Abkommen den Stecker zog.
Das Abkommen hätte die Schweiz gespalten.
Dass es keine Volksabstimmung über den Rahmenvertrag mit der EU gibt, freut auch alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey. Sie sass für die SP von 2003 bis 2011 im Bundesrat.
«Ich verstehe, dass der Bundesrat die Übung abgebrochen hat. Das Abkommen hätte die Schweiz gespalten», sagt sie.
Die Umfrage bei den alt Bundesräten zeigt: Es gibt verschiedene Standpunkte, von denen aus man die bundesrätliche Europapolitik beurteilen kann.
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