Das Wichtigste in Kürze
- Der UNO-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, warnt die Schweiz davor, die inhaftierte Baskin Nekane Txapartegi an Spanien auszuliefern.
- Die Schweiz riskiere sonst, ein Gerichtsurteil anzuerkennen, das auf einem durch Folter erzwungenen Geständnis basiere. Dies wäre ein Verstoss gegen das Folterverbot.
- Txapartegi war 2009 wegen Unterstützung der baskischen Untergrundorganisation ETA verurteilt worden. Nach ihrer Verurteilung floh sie in die Schweiz, wo sie im April 2016 in Zürich festgenommen und in Auslieferungshaft gesetzt wurde.
- Im März hatte Bundesamt für Justiz (BJ) ihre Auslieferung nach Spanien bewilligt. Die baskische Aktivistin habe nicht glaubhaft darlegen können, dass sie in Spanien gefoltert worden sei, begründete das BJ seinen Entscheid.
Laut Nils Melzer ist Txapartegi 1999 von Mitgliedern der spanischen Militärpolizei Guardia Civil verhaftet worden. Sie sei fünf Tage lang in «Incommunicado»-Haft im Keller eines Kommissariats in Madrid festgehalten und dabei schwer gefoltert worden, schreibt Melzer.
Während der «Incommunicado»-Haft haben Gefangene keinen Kontakt zur Aussenwelt oder zu Anwälten. Angehörigen wissen nicht, wo die Gefangenen sind.
Vergewaltigung, Schläge, Scheinexekution
Laut den Informationen, die er erhalten habe, sei Txapartegi in den ersten 120 Stunden ihrer Haft unter anderem vergewaltigt und unsittlich berührt, mit Fausthieben geschlagen, gewürgt, mit Elektroschocks und Schlafentzug sowie mit Scheinexekutionen gefoltert worden. «Nach fünf Tagen brutalen Verhören hat Frau Txapartegi schliesslich ‹gestanden›, in kriminelle Aktivitäten der ETA verwickelt gewesen zu sein», schrieb Melzer.
Es gebe zahlreiche Hinweise, dass dieses unter Folter abgepresste Geständnis die Basis für die Verurteilung Txapartegi gewesen sei, und dieses Urteil wiederum liege dem Auslieferungsbegehren des spanischen Staates an die Schweiz zu Grunde.
Keine glaubhafte Begründung
In Spanien war Txapartegi 2009 wegen Unterstützung der baskischen Untergrundorganisation ETA verurteilt worden – ursprünglich zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten. Die Strafe wurde vor kurzem auf drei Jahre und sechs Monate reduziert.
Nach ihrer Verurteilung floh Txapartegi in die Schweiz. Im April 2016 wurde sie in Zürich festgenommen und in Auslieferungshaft gesetzt. Im März bewilligte schliesslich das Bundesamt für Justiz (BJ) ihre Auslieferung nach Spanien. Die baskische Aktivistin habe nicht glaubhaft darlegen können, dass sie in Spanien gefoltert worden sei, begründete das BJ seinen Entscheid.
Juristische Grundregel ignoriert
In seiner Mitteilung kritisierte Melzer, es mache den Anschein, dass die Schweizer Behörden nicht alle in Spanien und der Schweiz erstellten Arztberichte und Zeugenaussagen berücksichtigt hätten, die die Foltervorwürfe Txapartegis erhärteten.
«Der Entscheid der Schweiz scheint damit den fundamentalen Prinzipien zu verstossen, die im Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe festgeschrieben sind», schreibt der UNO-Sonderberichterstatter.
Die juristische Kardinalsregel sei, ein unter Folter erpresstes Geständnis oder daraus gewonnenes Material niemals als Beweis bei einem Strafverfahren zuzulassen.
Weiter gebe es zu beachten, dass Folteropfer schwer traumatisiert seien. Es sei deshalb oft schwierig für diese, schlüssige Aussagen zum Erlittenen zu machen. Es sei deshalb zwingend, dass die Behörden bei Folteropfern weniger strenge Massstäbe ansetzten würden.