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Verjährungsfrist von 30 Jahren Mord soll nicht mehr verjähren: Der Bundesrat ist skeptisch

Eine Standesinitiative will die Verjährung bei Mord aufheben. Dies wecke falsche Erwartungen, heisst es vom Bundesamt für Justiz.

Wer in der Schweiz einen Mord begeht, kann nach aktueller Rechtslage nur eine begrenzte Zeit lang strafrechtlich verfolgt werden. Anders als in vielen umliegenden Ländern gilt in der Schweiz für Mord eine Verjährungsfrist von 30 Jahren.

Mord ohne Ablaufdatum

Daran stört sich SVP-Nationalrat Mike Egger. Bereits vor über sechs Jahren hat er, damals noch als Kantonsrat in St. Gallen, eine Standesinitiative mit der Forderung angestossen, Verjährungsfristen für Schwerverbrecher abzuschaffen. Ein Mord sollte kein Ablaufdatum kennen, findet Egger, denn er sei das Schlimmste, was man einem anderen Menschen antun könne. «Man nimmt ihm das Recht auf sein eigenes Leben weg. Und das soll nicht einfach nach 30 Jahren verjähren.»

Gefängnismauer
Legende: Soll Mord nach 30 Jahren verjähren oder nicht? Keystone/ENNIO LEANZA

Letzte Woche hat nun der Bundesrat Stellung zu der Standesinitiative bezogen und dabei eine gewisse Skepsis geäussert. Der Bundesrat nehme zwar das Interesse der Opferfamilien an der Aufklärung und Bestrafung von schweren Straftaten ernst, sagt Ingrid Ryser vom Bundesamt für Justiz. Gleichzeitig werde es aber mit zunehmender Zeit schwieriger, einem Täter die Tat nachweisen zu können.

Falsche Erwartungen bei Hinterbliebenen

«Das kann bei den Hinterbliebenen falsche Hoffnungen auf eine Verurteilung wecken und bei einem Freispruch allenfalls sogar zu einer Retraumatisierung führen», gibt Ryser zu bedenken. Zudem nehme das Interesse des Staates an einer Strafverfolgung grundsätzlich ab, je länger die Tat zurückliege. «Das Strafrecht hat ja auch zum Ziel zu zeigen, dass der Staat einen Verstoss gegen die Regeln nicht einfach so hinnimmt.» Doch ebendieser Aspekt verliere im Laufe der Zeit an Bedeutung, so Ryser weiter.

Strafrechtsprofessor: Schweiz mit Verjährungsfrist ein «Unikum»

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«Die umliegenden Länder um die Schweiz, Deutschland, Österreich, aber auch Italien, kennen keine Verjährung für den Mord Tatbestand», sagt Christopher Geth, Strafrechtsprofessor von der Uni Basel. «Das heisst, die Schweiz ist diesbezüglich schon ein bisschen ein Unikum, wenn wir die umliegenden Länder betrachten.» Unverjährbar seien in der Schweiz aktuell nur bestimmte Verbrechen gegen das Völkerstrafrecht sowie schwere Sexualstraftaten gegenüber Kindern von unter 12 Jahren.

In der Rechtswissenschaft bestehe keine Einigkeit darüber, ob die Unverjährbarkeit nun auch auf Mordfälle ausgeweitet werden soll. Geth selbst stellt sich jedoch auf den Standpunkt, «dass bei einem solch schweren Delikt wie dem Mord Tatbestand eben das Sühnebedürfnis der Bevölkerung nach 30 Jahren noch nicht vollständig erloschen ist.»

Natürlich sei es schwierig, Jahrzehnte zurückliegende Verbrechen aufzuklären, sagt der Strafrechtsprofessor, aber die Beweismöglichkeiten hätten sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten verbessert. Er nennt etwa DNA-Analysen als Beispiel, wobei er auch ergänzt, «dass ein positiver DNA-Treffer nicht zwingend die Schuld des Täters nachweist». Es könne also auch weiterhin so sein, dass es immer noch zu einem Freispruch kommt, weil die Beweislage insgesamt nicht ausreichend sei, so Geth.

Für diese Argumente hat Mike Egger wenig Verständnis: «Der Staat sollte ein Interesse haben, auch nach über 30 Jahren solche Fälle aufzuklären.» Egger nennt das Beispiel eines Mordfalls, der über 30 Jahre in der Vergangenheit liegt. «Und dann steht einfach eine Person hin und sagt: ‹Ich war das.› Der geht dann straffrei aus, weil man nichts mehr machen kann.»

Bei der Strafverfolgung verfüge man heute ausserdem über ganz andere Mittel als früher, so Egger weiter. So könne man inzwischen beispielsweise DNA-Spuren auswerten und so unter Umständen auch Fälle aufklären, die schon Jahrzehnte zurückliegen. Ob die Verjährung bei Mord fallen und damit solche neuen Ermittlungsmethoden bei Fällen vor der Frist eingesetzt werden sollen, diskutiert als Nächstes nun der Ständerat.

HeuteMorgen, 18.02.2025, 06:00 Uhr

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