«Zürich galt in den 1980er-Jahren als stier, zwinglianisch langweilig. Man ging im Niederdorf hin und her, nur wenige Lokale durften Alkohol verkaufen. Es gab nur vier Clubs, die bis 4 Uhr morgens offen haben durften – und die durften nur Eis und Gläser servieren, keine Getränke», berichtet das Stadtmagazin «hellozurich».
Im Nachbarkanton Aargau war das damals anders. Die Lokale durften bis in die Nacht offen sein, sehr zur Freude des Publikums, aber auch der Disco- und Dancingbetreiber. Ausgelassene Partys, volle Tanzflächen, der Aarauer Clubbesitzer Edy Schneider erinnert sich an Glanzzeiten.
Dancings wie das «Concorde Aarau», im Keller des Hotels Aarauerhofs, das «Don Paco» in Wohlen (hier legte einst DJ Bobo auf), das Dancing «Joy» in Baden oder das «Mirage» in Neuenhof – im Aargau wurde getanzt, während das in Zürich nicht möglich war.
Discokugeln und Lasershow – Edy Schneider war lange im Clubgeschäft tätig. Seit den 70er-Jahren führte er das «Utopia» in Aarau, 50 Jahre lang. 2021 hat er es verkauft, noch heute wird hier getanzt.
«Gerade in den 80ern und 90ern war viel los. Der Europop, aus der DJ-Bobo hervorgegangen ist, kam auf. Wir waren zudem die einzige private Disco, die keinen Alkohol ausgeschenkt hat», erklärt Schneider sein langjähriges Erfolgsrezept. Kein Geschäft mit Alkohol, das habe ihn zwar um Einnahmen gebracht, aber es sei seine Überzeugung gewesen, erzählt er.
Die Aargauer Discos boomten in den 80er- und 90er-Jahren. Auch dank Zürchern, die feiern wollten. «Anfang 90er-Jahre gab es kein Nachtleben in der Stadt Zürich. Es gab die Bedürfnisklausel, die besagte, dass nur eine Hand von Betrieben über Mitternacht hinweg offen haben durfte», sagt Alexander Bücheli von der Zürcher Bar- und Clubkommission gegenüber SRF.
In Zürich gibt es immer weniger Clubs
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1998, als die Polizeistunde fiel, gab es in Zürich plötzlich viel mehr Clubs. Statt vier plötzlich 72, das Nachtleben wurde zelebriert.
Aber die Clubzahl geht seither stetig zurück: «In Zürich sterben die Klubs. Gab es 2011 noch 50 Diskotheken, waren es 2020 lediglich 31», schrieb kürzlich die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Zürich, galt ab den 2000-er-Jahren als Ausgehzentrum der Schweiz und Techno-Hochburg.
Neue Stadtteile – Clubs verschwinden
Zürich als Partyhochburg, das war einmal, bemerkt die NZZ weiter. Grund für den Trend sei die Gentrifizierung. Partymeilen wie die Langstrasse werden aufgewertet, langjährige Clubs weichen Wohnungen oder Läden. Der Druck auf das Nachtleben in der Stadt nehme zu, sagt auch die Bar- und Clubkommission Zürich.
Die früheren Industriezonen, wo Clubs und lautes Nachtleben früher niemanden störten, sind neu Zürcher Wohngebiete. Die Nachfrage nach Clubs sei aber weiterhin da, versichert die Bar- und Clubkommission Zürich.
Bar statt Club?
Das Nachtleben verschiebe sich momentan zum Teil von den Clubs in Bars, die mit DJs das Publikum anlocken. Eine Bar zu betreiben, kostet weniger als ein Club, die Fläche ist kleiner.
Langfristig befürchtet die Bar- und Clubkommission in der NZZ, dass die Diskotheken-Kultur verschwinden könnte.
Immerhin: Im Vergleich zu früher gibt es ein Nachtleben. Es haben über 660 Zürcher Betriebe eine Nachtbewilligung, heisst es bei der Bar- und Clubkommission auf Anfrage von SRF.
Striplokale durften in den 90ern länger offen haben, oder das Sechstage-Rennen, das Velorennen im Hallenstadion: «Man konnte damals im Hallenstadion noch rauchen, es ging den Besuchenden also nicht nur ums Rennen, man traf sich dort im Ausgang», erzählt Bücheli von der Clubkommission weiter.
Es habe illegale Angebote in Zürich gegeben. Legal musste man aber auswärts feiern. «Die Leute waren vermehrt mobil und wichen in den Aargau oder an andere Orte aus, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen.»
Die Leute waren mobil und wichen in den Aargau oder an andere Orte aus.
1996 stimmte das Zürcher Stimmvolk für die Liberalisierung der Öffnungszeiten, 1998 verschwand die Polizeistunde – es gab immer weniger Gründe, für das Tanzvergnügen in den Aargau zu pilgern. Zürich eröffnete Clubs, die Glanzzeiten der (ländlichen) Aargauer Dancings waren vorbei.
Wandel im Nachtleben
Das Concorde Aarau, Dancing «Mirage» in Neuenhof oder das Dancing «Rebstock» in Klingnau mussten schliessen. Das Nachtleben hat sich im Aargau gewandelt, seit den 2000er-Jahren pilgern Tanzwütige vermehrt nach Zürich und nicht umgekehrt.
Liberaler Aargau
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Während sich die Jugend in Zürich immer mehr zu wehren begann, Freiräume forderte, die Behörden aber mit Gewalt und Repression reagierten, funktionierte das im Aargau anders.
Die Gemeinden arrangierten sich rascher mit den Anliegen der Jungen. Ihre Forderungen fanden dann auch relativ rasch Eingang in die offizielle Politik und die Gemeinden. Diese begannen die Jugendkultur zu fördern, liest man im Buch Zeitgeschichte Aargau.
Die Zürcher Clubs werden immer noch gut besucht, 100'000 Gäste sind es jedes Wochenende. Doch sie sind unter Druck. Die Gründe sind anders als damals vor 25 Jahren im Aargau. Nicht die fehlenden Gäste sind das Problem, sondern der Platz. Industriegebiete, wo die Clubs jahrelang niemanden störten, werden aufgewertet. Es entstehen Wohnsiedlungen. Ob Zürich langfristig ein Club- und Partymekka bleibt? Die Nachfrage jedenfalls sei da, findet die Clubkommission.
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