Die Schweiz hat ihre Asylpraxis verschärft: Der Bund hat noch nie so viele Eritreer weggewiesen wie im letzten Jahr. Das Problem: Ein Rückübernahme-Abkommen mit Eritrea fehlt, die Mehrheit der Abgewiesenen taucht ab oder ist auf Nothilfe angewiesen. Mit einer Einladung des eritreischen Aussenministers erhofft sich der Bund nun eine neue Dynamik im Dossier.
Vertraulicher Reisebericht
Die «Rundschau» hatte Einsicht in den vertraulichen Bericht des Bundes über eine Reise nach Eritrea im November 2018. Die Schweizer Delegation bestand aus Mitarbeitern des Staatssekretariats für Migration (SEM) und des Eidgenössischen Amtes für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Diese überreichte dem eritreischen Aussenminister Osman Saleh Mohammed eine persönliche Einladung von Aussenminister Ignazio Cassis.
Das EDA bestätigte die Einladung. Wann der Besuch stattfinden werde, sei noch nicht bekannt, heisst es auf Anfrage. Man stehe im Austausch mit Eritrea. Die neue Justizministerin Karin Keller-Sutter hat nach eigenen Angaben keine Kenntnis von der Einladung ihres Bundesratskollegen Cassis.
Fragile Sicherheitslage
Aus dem Reisebericht geht weiter hervor, dass der Bundesrat noch in diesem Jahr die Schweizer Präsenz in Asmara erhöhen will. Die Sicherheitslage in Eritrea schätzen die Beobachter vor allem entlang der Grenzen noch immer als fragil und unvorhersehbar ein – auch nach der Friedensschliessung zwischen Eritrea und Äthiopien.
Laut Recherchen der «Rundschau» reiste im März 2019 erneut eine Delegation des SEM nach Eritrea. In diesen Tagen weilt eine weitere Delegation – der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) – unter der Leitung von Eduard Gnesa, Sonderbotschafter für internationale Migrationszusammenarbeit beim EDA, in Eritrea.
Verschärfte Praxis
Justizministerin Karin Keller-Sutter verteidigt in der «Rundschau» die gegenwärtige Asyl-Praxis gegenüber Eritrea: «Das ist ein Staat, der zwangsweise Rückführungen nicht akzeptiert. Man muss den Leuten aber klar sagen, dass sie nicht in der Schweiz bleiben können. Und der Druck muss aufrechterhalten werden.»
Der Bund hat seine Asylpraxis gegenüber Eritrea verschärft. Gemäss Zahlen des SEM mussten 2015 noch rund 4 Prozent der eritreischen Asylsuchenden die Schweiz verlassen. Davon ausgenommen die Dublin-Fälle, die vor ihrem Asyl-Antrag in der Schweiz bereits in einem anderen Land um Asyl gebeten hatten. 2018 waren es rund 20 Prozent – so viele wie noch nie. Doch freiwillig reisen nur wenige Abgewiesene nach Eritrea zurück. Laut SEM waren es im letzten Jahr 68. 576 tauchten ab.
Parlamentarier wissen von nichts
Die Bundesparlamentarier in Bern haben keine Kenntnis über den vertraulichen Reisebericht des Bundes. Karin Keller-Sutter nahm zwar in der Frühlingssession Stellung zu einer Motion des Luzerner FDP-Ständerats Damian Müller, die eine konsequentere Umsetzung der Asylentscheide fordert. Keller-Sutter dämpfte damals aber die Erwartungen. Rückführungen seien nach wie vor nicht möglich, weil ein Rückübernahme-Abkommen fehle. Zu den konkreten Plänen des Bundesrats schwieg sie.
Auch in der aussenpolitischen Kommission war die Einladung an Eritreas Aussenminister laut Müller kein Thema. «Ich fordere, dass wir Parlamentarier künftig über solche Schritte informiert werden», so FDP-Aussenpolitiker Müller in der «Rundschau».