125'000 Tiere gehen Sommer für Sommer auf die Bündner Alpen. Dieses Jahr ziehen sie später hinauf als üblich. Und schuld daran ist das kalte Wetter. Der nasse Frühling und der viele Schnee haben den Start der Alpsaison verzögert.
Tiere fressen Wintervorräte
«Die ersten Alpen in Graubünden nehmen jetzt langsam den Betrieb auf, das ist so spät wie schon lange nicht mehr», sagt Alpwirtschaftsberater Töni Gujan vom Landwirtschaftlichen Bildungszentrum Plantahof in Landquart. Sieben bis zehn Tage später höre sich nach wenig an, sei aber nicht zu unterschätzen.
Der Heuvorrat dürfte da und dort knapp werden.
Die Alpzeit dauert in der Regel 90 Tage. Da mache eine Woche einiges aus, gibt Gujan zu bedenken. Die Tiere seien eine Woche länger auf den Heimweiden und verzehrten Futter, das der Bauer als Wintervorrat hätte anlegen wollen. Zusätzlich dürfte auch der Ertrag an Alpkäse und Butter entsprechend tiefer ausfallen.
Betroffen sind Alpen in der ganzen Schweiz, sagt Andrea Koch, Geschäftsführerin des Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verbands. Ob in Bern, in der Westschweiz oder in Graubünden: Der Heuvorrat dürfte da und dort knapp werden. So auch in der Zentralschweiz, wo die Bauern teils bis zu drei Wochen später dran sind, wie Paul Barmettler sagt.
Landwirt Barmettler geht im Sommer auf die Alp Bleiki ob Niederrickenbach am Buochserhorn, gelegen auf 1400 Meter über Meer. Letztes Jahr konnte er schon am 12. Mai hinauf. «Dieses Jahr hat das keinen Sinn ergeben», sagt er. Da sei jeden Tag noch Schnee gefallen bis auf 1500 Meter hinunter.
Dass wir so spät dran sind, ist aussergewöhnlich.
Pirmin Signer, der seit zwölf Jahren in Bonaduz im Kanton Graubünden einen Landwirtschaftsbetrieb führt, schickt seine Kühe normalerweise Anfang Juni auf die Alp. Jetzt stehen seine Tiere noch immer im Stall. «Dass wir so spät dran sind, ist aussergewöhnlich», sagt Pirmin Signer. Einfach eine Woche länger auf der Alp bleiben, das lasse die Vegetation nicht zu. «Die Natur gibt den Takt vor», so Signer.
Den Vorrat beim Futter für den Winter könne man vielleicht noch aufholen, wenn das Wetter mitspiele und das Gras im Tal gut wachse, sind sich Landwirt Pirmin Signer und Alpwirtschaftsberater Töni Gujan einig. Was dieser verspätete Alpsommer genau bedeutet, das können sie jedoch erst im Herbst sagen. Bilanz gezogen werde dann, wenn die Tiere zurück im Tal sind.